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Netzidentität. In „About: Kate“ lebt Hauptdarstellerin Natalia Belitski mit dem und durch das Internet. Die Arte-Serie setzt konsequent auf crossmediales Erzählen.

© promo

Social TV: Wetterfestes Public Viewing

Nur Zuschauen reicht nicht mehr: Im Netz tauschen sich immer mehr Menschen über das aus, was sie gerade im Fernsehen sehen. Nun wollen Fernsehsender und ein Start-up Social TV in Deutschland etablieren.

Nein, tiefsinnig sind die Kommentare nicht immer. „Mein Tatort heißt Küche, mein Opfer Kuchen ... und ich würde es wieder tun“, postete ein Nutzer während des letzten „Tatorts“ auf couchfunk.de. Ein anderer schrieb nach dem Sieg von Bayern über Barça: „Wenn Bayern die Champions League gewinnt, wird die Alternative für Deutschland in den Bundestag einziehen!“ Eine Sendung im Fernsehen verfolgen und sich gleichzeitig darüber austauschen, also die Verbindung von TV und Social Media, das ist vereinfacht die Definition von Social TV. Der wichtigste Anbieter in Deutschland ist das unweit von Dresden beheimatete Start-up „Couchfunk“. Als „wetterunabhängiges Public Viewing im eigenen Wohnzimmer“ hat Phoenix-Programmgeschäftsführer Michael Hirz die Plattform im Tagesspiegel treffend beschrieben, die vor allem eine Kombination aus TV-Zeitschrift und Kommunikationsplattform ist.

„Wir wollen nicht nur Diskussionen, sondern auch, dass Nutzer eigene Inhalte erstellen“, sagt Frank Barth, der „Couchfunk“ zusammen mit Uz Kretschmar mit Einsatz von Risikokapital entwickelt hat. Die vor allem auf Smartphones ausgerichtete Plattform wurde als App bereits über eine halbe Million Mal runtergeladen, „auch wenn Social TV bei uns noch nicht so explodiert ist wie beispielsweise in den USA“, sagt Barth. Die meisten Nutzer geben ihre Kommentare über Twitter ab. Genauso wie Facebook ist der Kurznachrichtendienst damit gleichzeitig Voraussetzung wie Konkurrenz für „Couchfunk“, denn diskutieren können Fernsehbegeisterte natürlich auf vielfältigen Wegen.

Bei „Couchfunk“ bekommen sie zusätzlich das komplette Fernsehprogramm, Tipps sowie Zusatzinfos zu Schauspielern oder den Hintergründen eines Filmdrehs. Um die 15 000 Tweets von einer fünfstelligen Zahl an Nutzern kommen bei Großereignissen zusammen. „Natürlich schlafen die anderen auch nicht. Was beispielsweise die Öffentlich-Rechtlichen mit dem ,Tatort’ aus Ludwigshafen gemacht haben, war klasse. Es ist halt ein Vorteil, mit Gebührengeld experimentieren zu können“, sagt Barth.

Die von ihm gemeinte Krimifolge „Der Wald steht schwarz und schweiget“ aus dem Sommer 2012 wartete zusätzlich mit einem Online-Spiel auf. Über 100 000 Menschen suchten nach dem Mörder, diskutierten, interagierten. Auch so geht Social TV.

Die Nutzer? Gebildete Mittzwanziger-Frauen

Genutzt wird das Mitmach-Fernsehen vor allem von Mittzwanzigern, mehr von Frauen als von Männern und eher von Menschen mit sehr ausgeprägtem Medienkonsum. Zu diesem Ergebnis kommt eine kürzlich veröffentlichte Studie der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. Am beliebtesten sind Unterhaltungsformate. Ob das „Dschungelcamp“ (RTL) oder „Berlin Tag & Nacht“ (RTL 2) – vor allem wenn sich herrlich lästern lässt, klettern die Nutzerzahlen in die Höhe. Gerade bei den genannten Formaten entspinnen sich viele Diskussionen ihrer Zuschauer darüber, warum man diese Sendung eigentlich nicht schauen sollte.

Problematisch für das Social TV ist, dass die Sendungen, welche als Grundlage dienen, sich unabhängig von den Plattformen und Apps entwickeln. Auch die zunehmende Nutzung von Online-Mediatheken lässt sich nicht immer mit dem Wunsch verbinden, im Netz zu diskutieren, denn wer lässt sich schon freiwillig vorab das Ende seiner Lieblingsserie auf seinem Smartphone verraten, während diese auf seinem Fernseher läuft? Der „Second Screen“, der zweite Bildschirm, der zur Interaktion genutzt wird, entwickelt sich in diesem Fall zum Spannungstöter.

Diese Probleme lassen sich jedoch umgehen, wenn ein Anbieter eine Sendung sowie die Interaktionsmöglichkeiten aus einem Guss liefert. Das neue Arte-Projekt „About: Kate“ setzt konsequent auf „crossmediales Erzählen“: Was in der TV-Serie passiert, geht im Netz weiter. Die Hauptfigur, eine junge Frau, sitzt in einer Nervenklinik und klickt sich von ihrer Facebook-Seite aus durch die Schnipsel ihrer vermeintlichen Identität. Dieses Facebook-Profil gibt es wirklich. Nutzer können dort eigene Videos einstellen, die dann in Kates Internet-Odyssee eingebaut werden. Somit verbindet „About: Kate“ modernes Interaktions-TV mit dem Psychogramm einer digitalen Gesellschaft. Das Fernsehen als klassische „Bildtapete“ könnte schon bald Geschichte sein.

„About: Kate“, Arte, ab 27. April immer samstags um 23 Uhr 45

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