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Medien: Sodom und Gomorrha in Paris

Am Mittwoch erschien ein Buch, in dem unfassbare Zustände bei „Le Monde“ enthüllt werden. Die Zeitung kündigt rechtliche Schritte an

„Einmalig“, „Nie da gewesen“, „Unglaublich“. So lauten die Kommentare der französischen Zeitungen über einen Presseskandal, der seinen ersten Höhepunkt erreichte, als am Mittwoch das Buch „La face cachée du Monde“ („Die verborgene Seite von ,Le Monde’“) über angebliche Machenschaften der französischen Zeitung erschien. Zwei frühere Redakteure von „Le Monde“, Pierre Péan und Philippe Cohen, sind die Autoren des 634 Seiten dicken Werks. „Le Monde“ bezeichnete es am Mittwoch in fünf Artikeln als „Spionage-Roman“ und „Monument des Hasses“.

Die beiden Journalisten hatten fast zwei Jahre unabhängig voneinander recherchiert, bis sie sich im vergangenen September auf Anraten interessierter Verleger zusammentaten. Als Grund für ihr Recherchieren gaben sie an, über die Entwicklung der einst „geliebten“ Zeitung derart enttäuscht zu sein, dass sie sich gezwungen sahen, die „Machenschaften“ der weltweit als seriös und unabhängig geltenden Zeitung aufzudecken.

Um den Arbeitsablauf nicht zu gefährden und die Direktion von „Le Monde“ nicht hellhörig zu machen, blieben Erscheinungsdatum, Verlag und Druckort des Werkes bis zum letzten Moment geheim. Angeblich wurde es in Spanien gedruckt, unter Federführung des Verlages Fayard, ein Unternehmen des „Le Monde“-Konkurrenten Hachette. Die Auflage soll bereits dreimal auf mittlerweile 60 000 Exemplare erhöht worden sein. Dennoch hieß es am Mittwoch in vielen Buchhandlungen, das Buch sei bereits ausverkauft. Nicht einmal Rezensionsexemplare gab es, „heiße Ware“ also, amüsierte sich eine Pariser Boulevardzeitung.

Dem aktuellen Wochenmagazin „L’Express“ war die Vorabveröffentlichung einiger Auszüge von „La face cachée du Monde“ sogar eine zwölfseitige Titelgeschichte wert. Bei den heftigen Attacken gegen die Zeitung geht es, kurz zusammengefasst, um gezielte politische Einflussnahme zugunsten verschiedener Politiker, Parteien und Organisationen, finanzielle Vorteilnahme, Machtmissbrauch, Denunziation und persönliche Vorwürfe gegen die als „mafiöses Trio“ dargestellte Verlagsspitze, etwa Bereicherung. Angegriffen werden vor allem „Le Monde“-Herausgeber Jean-Marie Colombani, den die Autoren als verkappten Faschisten mit Hang zur Korruption darstellen, den Aufsichtsratschef Alain Minc mit angeblichen CIA-Kontakten und Edwy Plenel, den laut Péan und Cohen trotzkistisch geprägten Redaktionsdirektor.

Allen dreien werfen die Autoren vor, frankreich-feindlich zu sein, den unabhängigen Charakter des Blattes „verraten“ zu haben, die Redaktion einzuschüchtern und zu manipulieren. „Seit etwa zehn Jahren haben wir das Gefühl, dass man uns unsere Zeitung gestohlen hat“, heißt es in dem Buch mit dem Untertitel „Von der Gegenmacht zum Machtmissbrauch“. „Le Monde“ hat nun eine Serie von Klagen angekündigt: gegen die Autoren und den Verlag Fayard, aber auch gegen „L’Express“ und seinen Chefredakteur Denis Jeambar. Die als Enthüllungsjournalisten bekannten Verfasser sind sicher, dass ihre Behauptungen einer gerichtlichen Überprüfung standhalten: „Wir können alles beweisen, es liegen uns eine Fülle von Dokumenten vor, etliche Zeugen stehen bereit, die aussagen wollen.“

Sabine Heimgärtner[Paris]

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