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Medien: Sozusagen nicht wirklich

VORSICHT! WERBUNG Wer gut schreiben kann, ob nun Werbe- texte, PR-Artikel oder Kanzlerreden, müsste auch gut reden können.

VORSICHT! WERBUNG

Wer gut schreiben kann, ob nun Werbe- texte, PR-Artikel oder Kanzlerreden, müsste auch gut reden können. Ist aber nicht. Viele Meister des Wortes geraten bei Auftritten vor mehr als einem Zuhörer ins Stottern und wünschen sich in eine Mönchsklause. Das ist entschuldbar. Es gibt aber auch Lohnschreiber, die episches Blech reden.

Sie sagen dezidiert, dass die neuen Auto- modelle ein großes Wachstumspotenzial implizieren und so einen erheblichen Umsatzzuwachs generieren können. Und weil sie so schön im Fluss sind, strecken sie ihre Rede mit beliebten Füllwörtern: Sozusagen, natürlich, letztendlich, also, eigentlich, nicht wirklich usw. Dieser Brei wirkt verschärft durch das unsägliche Wörtchen „man“. Damit sind sie in bester Gesellschaft: Fast alle deutschen Fernsehmoderatoren leiden an einer Manie. „Hat man in einer solchen Situation nicht Angst?“ fragen sie den Menschen, der ihnen direkt gegenüber sitzt. Nur haben die Fernsehleute einen Vorteil: Sie müssen nicht schreiben. Der Werber aber muss die Vorzüge einer Limonade bildhaft und mit wenigen Worten wiedergeben können. Doch wie soll das gehen, wenn „man“ von morgens bis abends schwafelt? So gut wie gar nicht.

Speziell die Texte von Autoanzeigen sind vollgepumpt mit warmer Luft. Aber es gibt Hoffnung.

Bitten Sie Ihren Partner, bei einem Gespräch ohne Vorankündigung ein Band mitlaufen zu lassen. Dann hören Sie das Gesprochene ab. Und Sie werden sich wundern. Ich kam bei diesem Test auf 36 Mal „natürlich“ in 15 Minuten. Seitdem beiße ich mir regelmäßig auf die Zunge und schicke „natürlich“ runter in den Magen, wo bereits mehrere Wort-Kollegen auf den Zuwachs warten.

Mit der Zeit ist „man“ es Leid, mit so einem „natürlich“ geblähten Bauch herumzulaufen. „Man“ beginnt, sich zu kontrollieren und schiebt „natürlich“, die anderen luftigen Füllwörter und das leidige „man“ schon in der Denkphase weg. Dauert zwar ein bisschen, aber hilft. Und zwar Werbeleuten genauso wie Politikern, Professoren und ganz normalen Menschen.

Positive Begleiterscheinung: Nicht nur die Rede wird besser. Sondern auch das Geschriebene.

Reinhard Siemes

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