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Claus Kleber

© dpa

Spiegel: Kleber nach Hamburg?

Der Moderator des „heute-journals“, Claus Kleber, kann „Spiegel“-Chefredakteur werden. Ein überraschender Schachzug im Gerangel um die Nachfolge von Stefan Aust. Das ZDF wird seinen Moderator nicht gerne gehen lassen.

Zwei Überraschungen beim „Spiegel“. Sie haben jetzt tatsächlich einen Nachfolger für Stefan Aust gefunden, und der neue Chefredakteur soll Claus Kleber heißen. Kleber ist derzeit Moderator und Leiter des „heute-journals“ beim ZDF. Während ein Sendersprecher in Mainz sagte, es sei noch keine Entscheidung gefallen, wollte sich der Spiegel-Verlag nicht äußern. Aber die inoffiziellen Informationen aus dem Haus an der Brandstwiete sind eindeutig: Claus Kleber hat ein Angebot aus Hamburg. So soll es bei der Mitarbeiter KG, die 50,5 Prozent am Spiegel-Verlag hält, ein Votum mit fünf zu null Stimmen für den ZDF-Mann gegeben haben. Beim Verlag Gruner + Jahr (mit 25,5 Prozent beteiligt) sei die Personalie mit Wohlwollen akzeptiert worden, heißt es in Hamburg. Damit steht die notwendige Mehrheit bei den Gesellschaftern, ob die Dritten im Bunde, die Augstein-Erben (24 Prozent), für oder gegen Kleber waren und sind, spielt für die Offerte nicht die entscheidende Rolle.

Der künftige „Spiegel“-Chef soll mit drei Stellvertretern arbeiten. Einer davon, Martin Doerry, arbeitet bereits in dieser Funktion, der zweite soll Mathias Müller von Blumencron heißen, der Chefredakteur von Spiegel Online. Beim dritten Stellvertreter heißt es, er käme von außen zum „Spiegel“.

Die Zusammensetzung der neuen Spitze beim Nachrichtenmagazin zeigt an, dass die Gesellschafter und insbesondere die Mitarbeiter KG als Resonanzkörper der Redaktion keinen weiteren Herrscher à la Stefan Aust wollte, sondern einen Moderator, quasi den lieben Aust. Und ein Moderator ist Kleber, noch dazu einer mit sehr hohen Sympathiewerten. Wer mag diesen 52-jährigen ZDF-Mitarbeiter nicht? Nur nett zu sein, reicht beim Nachrichtenmagazin nicht. Umso wichtiger ist das künftige Team der Chefredaktion. Martin Doerry steht für die (Aust-geprägte) Tradition, Blumencron hat mit Spiegel Online die Marktführerschaft bei den Nachrichten-Plattformen geschafft, zudem erfüllt er eine Vorstellung der Mitarbeiter KG, wie sie bei der Kündigung von Stefan Aust ausgedrückt wurde. Bei den Themen, bei den Titelgeschichten, beim Zuschnitt mehr Zukunft wagen!

Für das Printgeschäft spricht in Klebers Karriere wenig bis gar nichts. Klar, Kleber ist ein Nachrichtenmann, ein politischer Journalist, ein Autor, aber einer vom Fernsehen (Stefan Aust kam 1994 übrigens von „Spiegel-TV“ in die „Spiegel“-Chefredaktion).

Am 2. Februar 2003 hatte das neue Gesicht des „heute-journals“ seinen ersten Auftritt, davor war Kleber ARD-Studioleiter in London. Claus Kleber wollte „das Ganze ein bisschen anders angehen“. Ein bisschen anders ist gut. Im Unterschied zur stets etwas unterkühlt wirkenden Kollegin Marietta Slomka oder dem damaligen ARD-Antipoden Uli Wickert knüpfte Kleber im Grunde genommen da an, wo sein hochgelobter Vorgänger Wolf von Lojewski aufgehört hatte. Mit Klebers Moderationswochen kommt Wärme und Aufgeknöpftheit ins „heute-journal“, leicht konterkarierend zum blau-orangenen Ton im Mainzer Studio.

Klebers Moderationsstil ist konziliant, amerikanisch, eher unironisch, politisch kaum festzulegen. Wenig wird angedeutet, alles erklärt. Das führte auch schon mal zu Interviews wie mit US-Präsident George W. Bush 2002, die für ihren allzu „devoten“ Ton kritisiert wurden.

Den Nachrichtensprechern im „heute- journal“ dürfte das egal sein. Denen wirft Kleber regelmäßig Bälle zu, lässig an das Pult gelehnt. Dieser telegene Welterklärer ist (oder tut) auch bei seinen Auslandsreportagen nicht klüger als seine Zuschauer und vermutlich auch nicht schlauer als die im Hintergrund arbeitenden Redakteure. Den Mann will man nicht nur die Wahlen in Russland erklären lassen, bitter frierend auf dem Roten Platz in Moskau, sondern man würde ihm auch Heizdecken abkaufen. Trotz oder gerade wegen seiner allzu blauen Augen.

Noch ist Kleber für Dreharbeiten über den „Cirque du Soleil“ in Las Vegas. Montag wird er in Mainz zurückerwartet. Klar, dass der Sender ihn halten will. Beim Gehalt kann das ZDF nicht wirklich mitbieten. Aber sie haben in Mainz etwas, was dem ehemaligen Korrespondenten sehr gefallen könnte – mehr Zeit für ausgedehnte Recherchereisen, beispielsweise im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele in Peking. In Summe: Das ZDF will es Claus Kleber so schwer wie möglich machen, sich für die Chefredaktion beim „Spiegel“ zu entscheiden.

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