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© dpa

Stasi im Zweiten?: Wut und Irrtum

Sind die Mainzelmänner in Wirklichkeit IMs? Brenders Vergleich des ZDF mit der DDR

Das war nichts, und das wird nichts. Nikolaus Brender, der scheidende ZDF-Chefredakteur, hat seinen Sender verglichen. Dem „Spiegel“ sagte er, es gibt „Inoffizielle Mitarbeiter, wirklich vergleichbar mit den IM der DDR, die sich die großen Parteien in einem Sender wie dem ZDF halten“. Das ZDF, eine Miniatur-DDR in Mainz? Ein Hort der Spitzel, der Denunzianten, die im Dienst von Union und Sozialdemokratie agieren wie einst die IMs für die SED im Rundfunk der DDR?

Brender sagte zwar, die Mehrheit der ZDF-Mitarbeiter seien saubere Journalisten, doch selbst ein Profi wie dieser 61-jährige Journalist scheint nicht kapiert zu haben, was von seinen Einlassungen bleibt: ZDF = DDR, der ZDF-Journalist als DDR-Geheimpolizist. Der Vorwurf trägt nicht, der Vergleich trägt nicht, Brenders „Ausfallschritt“ in seiner Wutattacke ist geeignet, das größere, ungleich wichtigere Ziel totzumachen – die Unabhängigkeit des Journalismus, der Journalisten bei ARD und ZDF wieder zu etablieren.

Natürlich, Brender darf wütend sein. Die Mehrheit der Unionsmitglieder im ZDF-Verwaltungsrat um Hessens Ministerpräsident Roland Koch hat ihm seinen Arbeitsplatz weggenommen. Koch ist ein kalter Machtmensch, doch allein der gedankliche Querschluss auf Stasi-Chef Erich Mielke würde den Verbrecher Mielke zum bösartigen Zwerg stutzen.

Kochs Vorwürfe an Brenders Adresse – mangelnder Erfolg, harscher Führungsstil – reduzierten sich im Moment der Entscheidung auf die Machtfrage „Der oder Wir“. Die Union – hätte die SPD wirklich anders gehandelt? – wollte es wissen, sie wollte für ihre Freunde, Parteigänger, meinetwegen Helfershelfer in den öffentlich-rechtlichen Sendern das glasklare Signal setzen: Wer mit uns ist, der hat Zukunft, wer gegen uns ist, der ist Vergangenheit.

Viele Personalien, auch in Brenders Chefredaktion, sind nach dem parteipolitischen Proporzsystem entschieden worden. Brender gesteht das zu, wenn er von „Versuchen“ spricht, „solche Spione wenigstens von Posten mit echter Verantwortung fernzuhalten“.

Nikolaus Brender hat mit dem „IM“-Vergleich die größte Keule geschwungen, natürlich wollte er die Aufmerksamkeit auf die größtmögliche Fehlentwicklung richten. Alles war in der jungen Bundesrepublik, gerade im Angesicht der Nazi-Propaganda, darauf ausgerichtet, dass der staatlich gelenkte Rundfunk durch einen öffentlich-rechtlichen abgelöst wird. Durch Staatsferne, Gremienkontrolle und die Gebühren aller Rundfunkteilnehmer sollten ARD und ZDF unabhängig arbeiten können. Jetzt, im Jahr 2010, da die ARD ihren 60. Geburtstag feiert, ist die Gründungsidee desavouiert.

Es wird interessant sein, ob irgendwelche Parteifürsten oder ZDF-Intendant Markus Schächter auf die Brender-Attacke reagieren werden. Vorhersage: Nein, werden sie nicht.

Nikolaus Brender hat dazu nichts gesagt, er setzt alle Hoffnung aufs Bundesverfassungsgericht, „die einzige Institution, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Staatsferne, Form und damit Zukunft sichern kann“. Und das ist die ganze Wahrheit. Erlösung kann nur von außen kommen. Joachim Huber

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