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Krass. „Barbara.“ verhüllte das Verkehrsschild „Unebene Fahrbahn“. Worauf Facebook den Post verhüllte.

© promo

Street-Art-Künstlerin "Barbara." zensiert: Verkehrsschild als Nipplegate

Wirkung und Nebenwirkung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes: Facebook löscht und stellt Arbeiten der Street-Art-Künstlerin „Barbara.“ wieder ein.

Sie nennt sich „Barbara.“, sie ist eine anonyme Street-Art-Künstlerin und sie hinterlässt Spuren im öffentlichen Raum. Graffitis, mit Plakaten, auf Verkehrsschildern verbreitet sie kleine, witzige Botschaften. Ihre Interventionen teilt sie auf Facebook – dort hat sie fast 650 000 Follower –, auf Instagram und auf Twitter. Von dort gehen sie viral oder sie schlagen sich in Blogs und Magazinen nieder; auch die „Tagesthemen“ wurden auf sie aufmerksam, 2016 bekam sie einen Grimme Online Award dafür.

„Barbaras.“ Arbeiten sind weniger dezidiert aggressiv als humorgeladen und – zuweilen– ordentlich satirisch. Sie geht kreativ gegen Hass, Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Verbote vor, sie setzt Anführungs- und Fragezeichen, sie will eine tolerante und weltoffene Gesellschaft. Denn: „Das Kleben ist schön.“

„Barbara.“ hatte sich eine kleine Auszeit genommen – „hat gut getan“, schrieb sie bei Facebook –, jetzt hat sie sich wieder gemeldet. Sie ist ein Opfer des neuen, umstrittenen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes geworden. In den vergangenen Wochen hätten Facebook und Instagram zahlreiche Beiträge der Künstlerin gelöscht, weil sie angeblich gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen. Dabei wurde ihr gedroht, dass ihr Account gelöscht wird, wenn das nochmal passiert.

Keine Gründe fürs Löschen angegeben

Was die Street-Art-Künstlerin neben ihrer Einschätzung, dass „völlig harmlose Beiträge, die sich gegen rechtsradikale Schmierereien und diskriminierende Schilderbotschaften gerichtet haben“, gelöscht worden seien, empört, ist die Tatsache, dass Facebook und Instagram „nicht einmal irgendwelche Gründe für das Löschen nennen“. Sie nennt das „willkürliche Zensur meiner Arbeit durch Privatfirmen, die offensichtlich nicht die geringste Ahnung von Satire hätten“. Ob sie bei Facebook und Instagam weiterhin postet, will sie sich genau überlegen. Sie sieht die Freiheit im Internet nicht mehr nur bedroht, sie wird durch diese Löschaktionen ruiniert.

Dem Tagesspiegel schrieb „Barbara.“ via Messenger: „Mir ist bewusst, dass auf einem Schild das Wort Ar....och steht“, aber es richte sich nicht gegen eine greifbare Person, es soll auch zeigen, dass die „Gutmenschen“, die nur „singen und klatschen“ können, durchaus in der Lage seien, mal etwas härter zu kontern. Falls aber dieses Wort der Grund für die Löschung gewesen sei, dann dürfte auch zum Beispiel der Song „Schrei nach Liebe“ von den Ärzten nicht mehr auf Facebook erscheinen, schrieb die Künstlerin, die in Berlin angefangen hat und mittlerweile deutschlandweit arbeitet.

"Brief von Bernd H." wieder freigegeben

Nun sind die „Löschaktivisten“ beim Social-Media-Konzern durchaus zu Reaktion und Reflexion fähig. Zwei der gelöschten Bilder wurden ohne weitere Begründung wieder freigegeben, darunter der „Brief von Bernd H. mit dem AfD-Kugelschreiber“ zur Geburtstagsfeier unseres „geliebten Führers“ am 20. April. Mit Bernd H. ist unschwer der AfD-Rechtsextreme Björn Höcke gemeint, der allerdings als Bernd Höcke bekannter ist.

Weiter gesperrt bleibt das Foto mit dem Bikini-Oberteil über einem Verkehrsschild. Dieses weist auf eine unebene Piste hin. Wer will, kann darin Frauenbrüste erkennen. „Barbara.“ konnte das und schritt erst zur Verhüllung und dann zum Posting.

Ist das Verkehrsschild selbst ein „Nipplegate“ oder erst seine Kenntlichmachung als „Verkehrsschild mit Bikini“? Bei Nacktheit ziehen die Amis bekanntlich durch. Auf ihrem Facebook-Account bekommt „Barbara.“ enorme Unterstützung und die „Putztruppe“ ordentlich Gegenwind. Einer schreibt, was andere schreiben: „Wo der Bewertungsmaßstab liegt, ist für mich unbegreiflich.“ Das ist vielleicht der am meisten irritierende Faktor bei der Anwendung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes: Dass die Anwender selber irritiert sind. Joachim Huber

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