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Rampensäue. Der Produzent und sein talkender Moderator: Christian Ulmen (links) und Benjamin von Stuckrad-Barre sind befreundet. Gemeinsam auf die Showbühne wollen sie aber lieber nicht. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Stuckrad-Barre und Ulmen im Interview: „Eine Unverschämtheit für den Zuschauer“

Benjamin von Stuckrad-Barre startet am Donnerstag mit neuen Folgen seiner Late-Night-Show. Zusammen mit Produzent Christian Ulmen spricht er über fade Polittalks, traurige Typen, die richtige Partei und Spaß im Garten.

Herr von Stuckrad-Barre, die neuen Folgen Ihrer Polittalk-Late-Night-Show starten am 22. August, einen Monat später ist Bundestagswahl. Wen werden Sie wählen?

STUCKRAD-BARRE: Ich weiß es diesmal weniger denn je. Dafür ist ja auch diese Sendung da, damit ich endlich rausfinde, wen ich wählen soll.

Warum so unentschlossen?

STUCKRAD-BARRE: Keine Ahnung. Das ist ja nicht nur mein Problem. Die meisten, mit denen ich mich so unterhalte, finden momentan alle Parteien etwa gleich scheußlich.

ULMEN: Ich schwanke noch zwischen zwei Parteien. Das ist nicht schlecht. Sonst schwanke ich so kurz vor der Wahl immer zwischen vier Parteien.

Immerhin gehen Sie wählen.

STUCKRAD-BARRE: Klar. Ich finde es immer einen schönen Moment, wenn man in diesem grauen Klappding sitzt, der Wahlkabine. Diese kurze Begegnung mit sich selbst. Wenn man darüber nachdenkt: Was meine ich eigentlich mit meiner Stimme? Was ist besser für das Land? Was ist besser für mich: 38 Jahre alt, eine Frau, ein Kind? Und kann, was schlecht für mich ist, gut fürs Land sein – und umgekehrt?

Hat sich Ihre politische Präferenz durch die Begegnungen mit den Politikern in der Show verändert?

STUCKRAD-BARRE: Nein, aber mein Verständnis für das Drama dieses Berufsstandes hat sich vergrößert. Mir tun Politiker leid, ehrlich.

Sehr empathisch.

STUCKRAD-BARRE: Angeblich geht jetzt der Wahlkampf los. Jetzt sehe ich überall diese Plakate, wenn ich auf dem Fahrrad herumfahre. In meinem Stadtteil, Wilmersdorf, kenne ich die auf den Plakaten Abgebildeten gar nicht. Und gerade die ausgestellte zupackende Fröhlichkeit, dieser vollkommen sinnlose Optimismus, den diese mir unbekannten Menschen da verströmen auf ihren Plakaten, der macht mich melancholisch.

ULMEN: Ich habe mich gefragt, wie dieser Moment aussah, als Martin Lindner sein Foto fürs FDP-Wahlplakat ausgesucht hat. Oder war er bei der Auswahl gar nicht dabei? Wenn doch: Eitel kann er schon mal nicht sein. Vielleicht glaubte er auch, es menschelt, wenn er Schnappschüsse von sich aufhängen lässt, die noch unvorteilhafter aussehen als die meisten Passfotos seiner Wähler: Das bringt Stimmen.

STUCKRAD-BARRE: Ich staune bei der Arbeit an unserer Show immer wieder über die Humorlosigkeit der Grünen. Mit so Außenbordern wie Hans-Christian Ströbele, Rezzo Schlauch oder Volker Beck geht’s prima, aber Künast, Roth, Trittin und all die anderen zentralen Figuren trauen sich nicht, zu uns zu kommen. Schockierend trist, humorlos, immer beleidigt. Dagegen sind ältere Herren von der CSU für jeden Spaß zu haben.

Wer noch?

STUCKRAD-BARRE: Bei der FDP müssen wir uns immer mit der Gästeliste von Markus Lanz abstimmen, die sitzen da ja ständig alle rum. Mit Brigitte Zypries und Karl Lauterbach von der SPD war’s heiter. Lauterbach ist auch gleich wieder der erste Gast in der neuen Staffel. Wer besonders gut war, darf noch mal kommen.

Haben Sie Angela Merkel und Peer Steinbrück eingeladen, zumindest pro forma?

ULMEN: Na klar. Ein Akt der Routine.

Was würden Sie Merkel fragen?

STUCKRAD-BARRE: Ach, eigentlich ist Merkel für unsere Sendung nicht geeignet. Bei der ist alles immer so verschlossen, ein Gespräch kaum möglich. Es sei denn, man sitzt lustig im Kino und zeigt „Paul und Paula“.

Gilt diese Unnahbarkeit, Nicht-Unterhaltsamkeit auch für Peer Steinbrück?

ULMEN: Steinbrück wäre ein guter Gast. Seine verkrampften Bemühungen, unverkrampft seinem Klischee der Verkrampfung zu entgehen, finde ich sehr unterhaltsam und passend für die Show.

Politische Talkshows im Fernsehen bezeichnen Sie als „Zitat-Abladestelle“, Herr Stuckrad-Barre, und wollen selbst „normal“ mit Politikern reden. Geht das denn überhaupt?

STUCKRAD-BARRE: Wir versuchen das. Wenn’s nicht gelingt, ist das auch von einer gewissen Schönheit. Ich habe neulich in der ARD das Sommerinterview mit Horst Seehofer gesehen. Da sitzen diese beiden traurigen Typen, Ulrich Deppendorf und Rainald Becker, und hatten spürbar das Seehofer-Interview in der „Bild am Sonntag“ gelesen. Jetzt wollten sie all die dort gesagten Hammer noch einmal in ihrer Sendung hören, weiter nichts. Also noch mal Pkw-Maut und so weiter.

Da erwartet man doch nichts anderes.

STUCKRAD-BARRE: Das finde ich das Trostloseste, was man machen kann. Eine Unverschämtheit für den Zuschauer. Und zu leicht für den Politiker. Das ist doch die Vermeidung eines Gesprächs. Da könnte Seehofer auch alleine sitzen. Oder die beiden Jungs, Deppendorf und Becker, könnten sich alleine austauschen in ihrer dpa-Sprache.

Kommen wir zu Ihnen als Paar. Sie sind befreundet, haben beide Fernseherfahrung. Warum machen Sie es nicht mal wie Jauch und Gottschalk und treten als Dreamteam gemeinsam vor die Kamera?

STUCKRAD-BARRE: Machen wir ja. Zu Hause im Garten. Da treten wir für unsere Frauen und Kinder auf.

ULMEN: Wir haben früher mal zusammen moderiert, bei Fritz. Ich glaube, dass Benjamin schneller assoziiert als ich. Vielleicht nicht besser, aber schneller (lacht). Für so eine Doppelmoderation muss man in Geschwindigkeit und Timing eine gemeinsame Taktung haben.

Sie sind also eher der Jauch. Und Sie der Gottschalk, Herr von Stuckrad-Barre?

STUCKRAD-BARRE: Das ist jetzt natürlich für beide eine Unverschämtheit. Also für Gottschalk und Jauch.

ULMEN: Dieses Rampensau-Gen ist bei Benjamin ausgeprägter als bei mir. Er spürt auf einer Bühne den akuten Hunger der Leute nach einem Gag, den ich nicht so schnell mitkriege. Benjamin ist außerdem am besten, wenn er alleine ist.

Sie sind Einzelgänger?

ULMEN: Durchaus.

STUCKRAD-BARRE: Für mich ist das hier eine ideale Mischung: mit Freunden zusammenarbeiten. Die Idee Ulmen.tv ist die einer gewissen Unabhängigkeit, dass man Sachen in Ruhe herstellen kann, in einem Schutzraum.

Ist „Late Night“ so ein Schutzraum? Wollen Sie damit alt werden?

Der RBB hat bestätigt, dass er mit Ihnen beiden über einen Wechsel spricht.

ULMEN: Zu Recht.

Was für ein Format soll das sein?

ULMEN: Es gibt eine präzise Formatidee, die wir gerade ausarbeiten. Aber noch ist es leider zu früh, Details zu verraten.

Das Gespräch führten Sonja Álvarez und Markus Ehrenberg.

Benjamin von Stuckrad-Barre, 38, moderiert seit 2010 eine eigene Late-NightShow, erst auf ZDFneo, ab Donnerstag (23 Uhr 15) wieder auf Tele 5. In zehn Folgen kommen Politiker zu Wort, kurz vor der Bundestagswahl . Bekanntheit erreichte Stuckrad-Barre vor allem mit seinem 1998 erschienenen Debütroman „Soloalbum“ sowie dem 2003 entstandenen gleichnamigen Film. Seine Show wird von Christian Ulmen, 37, produziert (ulmen.tv). Der Schauspieler Ulmen wiederum ist ab Dezember als neuer „Tatort“-Kommissar des MDR an der Seite von Nora Tschirner zu sehen.

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