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Chefarzt unter Druck. Dr. Heilmann (Thomas Rühmann) schweigt, Kollegin Globisch (Andrea Kathrin Loewig) rätselt.Foto: ARD

© ARD Degeto/Saxonia Media/R.K. We

Synthese aus Human- und Tiermedizin: Das Schweigen des Nilpferds

Das Special zur Serie „In aller Freundschaft“ kennt bei der Dramatik überhaupt keine Grenzen mehr. Und das Cello kennt nur Molltöne.

Zwergflusspferde kennen keinen Respekt. Jedenfalls das eine nicht, das als Patentier der Familie Heilmann im Leipziger Zoo logiert. Auch wenn das rundliche Tier Dr. Roland Heilmann (Thomas Rühmann) „kostbare Chefarztfreizeit“ kostet (so seine stets solidarische Frau Pia), lässt es bei der Visite am Bassin höchstens mal ein Ohr aus dem Wasser auftauchen. Wahrscheinlich tut das vom Aussterben bedrohte Nilpferd gut daran, undercover zu bleiben und sich nicht ins Patientenkollektiv einzureihen. Schließlich wird im Special der Serie „In aller Freundschaft“ die zu befürchtende, überfällige Synthese aus Human- und Tiermedizin à la Saxonne vollzogen. Das deutete sich schon in der umstrittenen 300. Folge „Ausnahmezustand“ im März 2006 zum Thema Vogelgrippe an: Damals wurden zwei harmlose Kakadus als Virusträger identifiziert, was die Bundestierärztekammer vor „Panikmache“ warnen ließ. Aber nun, in der besonders dramatischen, von Hans Werner inszenierten XXL-Folge reicht mit Dr. Susanne Mertens (Elisabeth Lanz) Leipzigs Lichtgestalt der Veterinärmedizin unter dem geschwungenen Portal des Zoos dem gebeutelten Roland Heilmann die Hand.

Denn was mit der fröhlichen Feier zur Tierpatenschaftsübernahme der Familie Weller für den Puma „Timba“ wie eine Folge von „Tierärztin Dr. Mertens“ beginnt, schlägt flugs in den „7. Sinn“ um. Wegen einer Komplikation wird der völlig übermüdete Roland Heilmann in die Sachsenklinik gerufen. Da läuft ihm eine junge blonde Frau mit Kopfhörern vors Auto. Heilmann weicht geistesgegenwärtig aus, doch dann kollidiert er mit einem anderen Auto – dem der Tierpaten Weller. Es stürzt von einer Brücke, der junge Vater ist sofort tot, die Mutter schwer verletzt, und der kleine Tim (Bennet Meyer) bleibt zunächst verschwunden.

Ist Dr. Roland Heilmann, einer der drei Hauptakteure der erfolgreichsten öffentlich-rechtlichen Arztserie hierzulande, schuldlos schuldig geworden? Wie soll er beweisen, dass die Frau, die ihm bekannt vorkommt, ohne sich umzusehen auf die Straße gelaufen ist? Mit zitternden Händen versucht er, im OP das Leben von Tims Mutter zu retten, bis seine Kollegen den Kollabierenden zur Seite nehmen. Die Kollegen, das sind vor allem die Anästhesistin Kathrin Globisch (Andrea Kathrin Loewig), die sich verstärkt um ihre demente Mutter kümmern muss, und der ewig jungenhaft lächelnde Chirurg Dr. Martin Stein (Bernhard Bettermann). Sie bilden das titelgebende Freundestrio.

Bald weiß der Zuschauer in diesen mit Cellotönen in Moll unterlegten neunzig Minuten mehr, als Heilmann ahnt. Wie meint doch Udo Schenk in der Rolle des Belegarztes Dr. Rolf Kaminski, als Martin Stein seine neue Freundin erwähnt? „Julia – der Name steht für großes Drama.“ Der Urologe und Nietzsche-Verehrer Kaminski garantiert mit seinem Sarkasmus das nötige Antidot gegen die chronisch sentimentalen Aufwallungen dieser Serie, in der Unfälle in den ersten drei Minuten passieren und entlegenste Krankheiten im Zeitraffer geheilt werden. Seit 1998 sehen sich das alldienstäglich im Schnitt 6,2 Millionen Zuschauer an. Zwar gelingt es Kaminski, den Stoffpuma des kleinen Tim mit einer unsichtbaren „Intrakutannaht“ zu flicken, den traumatisierten Jungen hingegen kann er nicht zum Reden bringen. Das schafft erst die Veterinärin Mertens mit einer sogenannten tiergestützten Therapie.

Wird Rolf Kaminski im neuen Jahr endlich eine Beziehung mit seiner heimlich verehrten Kollegin Elena Eichhorn eingehen? Der Puls der Erwartung bleibt unverändert hoch. Katrin Hillgruber

„In aller Freundschaft: Was wirklich zählt“, ARD, 20 Uhr 15

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