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Medien: Täter aus Überzeugung

In einer Arte-Doku reden Stasi-Offiziere über ihren Arbeitsalltag

Sie haben Schützenteller an der Wand und nette Enkel, die keine unangenehmen Fragen stellen, sie haben eine kleine Rente, die sie mit kleinen Jobs aufbessern, und sie haben ein reines Gewissen: Sechs Generäle des Ministeriums für Staatssicherheit und drei hochrangige Offiziere des DDR-Geheimdienstes sprechen in diesem Film über ihre Arbeit in Erich Mielkes Auftrag. Dabei erläutern sie einerseits höchst sachlich, wie erpresst, verhört, verhaftet und zersetzt wurde, freuen sich über die kleinen psychologischen Tricks, die operativen Feinheiten und den „menschlichen Umgang“ mit den Inoffiziellen Mitarbeitern. Auf der anderen Seite plaudern sie entspannt über die gute Kameradschaft, das Elitegefühl und die Marotten Mielkes, erinnern sich mit verblüffendem Selbstbewusstsein an die alten Zeiten und ihren „klaren Klassenstandpunkt“.

Nur ab und zu versucht einer sich zu rechtfertigen. So etwa wenn Siegfried Ratanzick, Leiter U-Haft/Strafvollzug, mit seiner Biografie argumentiert und sagt, da seine Mutter im Konzentrationslager der Nazis umgekommen sei, habe er mit seinem Tun dazu dienen wollen, „dass so etwas nie wieder passiert“. „Deshalb hat mir die Arbeit auch immer viel Freude gemacht.“ Vor allem aber betonen die Männer, dass sie nicht gegen die Bevölkerung, sondern für das Wohl aller gearbeitet und dass sie sich an die Gesetze gehalten hätten. „Jeder kannte doch die Gesetze der DDR“, sagt einer, als sei damit alles klar. Beeindruckend auch die Gnadenlosigkeit gegenüber dem „Feindbild“. So sagt Horst Männchen, Chef der Lauschabteilung III und bald nach der Wende V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz, über Verräter: „Die interne Meinung war: So was gehört erschossen.“

Diese Dokumentation von Christian Klemke und Jan N. Lorenzen ist ein mutiger Film. Mutig, weil er keine Angst hat, die Täter sprechen zu lassen. Ihre Perspektive nutzt er, um Ausflüchte und Beschönigungen zu entlarven. Meist tun es die Protagonisten selbst, da bedarf es keines einordnenden Kommentars. Leider kommt auch dieser Film nicht ohne bedrohlich-schrille Klänge und viele graue Aufnahmen des Ministeriumsgebäudes aus. Doch ansonsten wird hier wie schon in dem Dreiteiler „Roter Stern über Deutschland – Die sowjetische Militärherrschaft 1945 bis 1994“, für den die Autoren im letzten Jahr den Grimme-Preis bekamen, sorgfältig und mit der Distanz von Chronisten Material montiert und präsentiert, ohne von Schuld zu sprechen. Das ist streckenweise fast unerträglich, macht aber vor allem die Leerstellen bei den Beteiligten deutlich: Keine Fragen, keine Scham, nicht mal ein Bedauern.

„Alltag einer Behörde – das Ministerium für Staatssicherheit“: 22 Uhr 30, Arte

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