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Nichts wie weg. Serbien und Rumänien, hier ein Kiosk in Bukarest, sind die ersten Länder, aus denen sich die WAZ-Gruppe verabschiedet.

© AFP

Verlage: Tanz auf dem Balkan

Während sich die WAZ-Gruppe aus Südosteuropa zurückziehen will, investiert Springer Millionen.

Fast könnte der Eindruck entstehen, dass es sich um zwei verschiedene Regionen handeln muss, wenn die beiden Verlage Axel Springer („Welt“, „Bild“) und die Essener Mediengruppe WAZ („Westdeutsche Allgemeine Zeitung“, „Westfalenpost“) zurzeit über Südosteuropa sprechen. Während Springer hier großes Wachstumpotenzial sieht und erst im Juli ein Joint Venture mit der Schweizer Ringier AG („Blick) gestartet hat und neben der Slowakei, Polen, Tschechien und Ungarn auch in Serbien seine Aktivitäten ausbauen will, will die WAZ nichts wie weg.

„Südosteuropa ist für uns kein Zukunftsmarkt“, sagte WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach am Montag im „Handelsblatt“. Nach anderthalb Jahrzehnten auf dem Balkan werde sich die WAZ-Gruppe zurückziehen. Serbien und Rumänien sind die ersten Länder, denen der Konzern ade sagt. Doch nicht etwa wirtschaftlich, sondern politisch begründet Hombach den Ausstieg: „Die engen Verflechtungen zwischen Oligarchen und der politischen Macht vergiften den Markt“, sagte Hombach, der früher EU-Sonderkoordinator des Stabilitätspaktes für Südosteuropa war. „Oligarchen kaufen auf dem Balkan immer häufiger Zeitungen und Magazine, aber nicht um Geld zu verdienen, sondern um politischen Einfluss zu nehmen“, sagt auch Hombachs Kollege, WAZ-Geschäftsführer Christian Nienhaus dem Tagesspiegel. „Gegen so eine marktverzerrende Konkurrenz können wir nicht gegenhalten.“ Wohl selten zuvor hat sich ein Verlag mit so lautem Getöse aus einem Markt verabschiedet. Brancheninsider vermuten, dass all diese Äußerungen nur Ablenkungsmanöver sind. Sie sollten vertuschen, dass das Geschäft nicht so gut gelaufen sei, wie sich die WAZ erhofft habe.

Seit 2001 ist der Konzern in Serbien an der Zeitung „Politika“ mit 50 Prozent beteiligt, besitzt eine Druckerei in Belgrad und die Kioskkette Stampa. Gewinn gemacht hat die WAZ in Serbien tatsächlich nie. Aber das sei bei einer Zeitung wie „Politika“ auch schwer, sagt Nienhaus. Denn die anderen 50 Prozent gehörten einem Staatsunternehmen, das den Chefredakteur bestimme. Jedes Mal, wenn eine andere Partei an die Macht kommt, wechsele deshalb auch die politische Ausrichtung der Zeitung. Der Verdacht, dass die WAZ nur wirtschaftlichen Misserfolg übertönen wolle, treffe deshalb nicht zu, sagt Nienhaus und verweist auf den Fall „Novosti“.

Die Probleme in Serbien hatten sich für den Essener Konzern 2008 weiter zugespitzt, als er 62 Prozent der Zeitung „Vecernje Novosti“ („Abendnachrichten“) über einen Treuhänder, den Oligarchen Milan Beko kaufen ließ. Beko hatte mit den WAZ-Millionen die Anteile erworben und sich verpflichtet, sie nach der Freigabe durch die Wettbewerbsbehörden an den deutschen Verlag weiterzugeben. Das aber passierte nie. Beteiligte vermuten, dass Beko auf das Kartellamt Einfluss genommen habe, was der jedoch abstreitet. Die Folge: eine riesige Schlammschlacht. Hombach sei ein „gescheiterter Politiker“, der mit per Interpol gesuchten mutmaßlichen Mafiagrößen Geschäfte mache, sagte „Novosti“-Chefredakteur Manojlo Vukotic in einem in seiner Zeitung im März veröffentlichten Offenen Brief. Am Ende polterte der serbische Wirtschaftsminister Mladjan Dinkic: „Für die WAZ ist kein Platz in Serbien“, er wolle dem Verlagshaus jegliche unternehmerische Tätigkeit in seinem Land verbieten.

Der Streit und die Äußerungen der beiden WAZ-Geschäftsführer werfen kein gutes Licht auf Serbien. Auf dem Korruptionsindex der Antikorruptionsorganisation Transparency International belegt Serbien 2009 mit Platz 83 von 180 untersuchten Ländern einen mittleren Rang. Das Land will in die EU. Anfang der 1990er Jahre hatten viele deutsche Verlage auf das Wachstumspotenzial in Südost- und Osteuropa gesetzt. Doch die jüngste Wirtschaftskrise erschütterte die Märkte heftig, in fast allen Balkan-Ländern schrumpften die Netto-Werbemärkte im zweistelligen Prozentbereich, in Rumänien brach der Werbemarkt für Zeitungen sogar um 70 Prozent ein. Deshalb ziehen nun auch andere deutsche Verlage Konsequenzen – im Gegensatz zur WAZ aber eben aus wirtschaftlichen, nicht aus politischen Gründen.

So stellt Gruner + Jahr („Stern“, „Brigitte“) die rumänische Ausgabe des Reportagemagazins „Geo“ ein. „Die Auflage von zuletzt 7000 Exemplaren ist zuletzt nicht mehr rentabel gewesen“, sagt G+J-Sprecher Christian Merl. Mit der Axel Springer Media AG wurde eine „Geo“-Lizenzvereinbarung für Ungarn, Tschechien und die Slowakei getroffen. „Die Märkte in Südosteuropa sind extrem volatil, jede kleine Veränderung erschüttert den Markt extrem“, sagt Merl. „Der Konsolidierungsdruck auf die Verlage ist deshalb enorm hoch“, so Merl. Abgesehen von den Aktivitäten rund um „Geo“ plane G+J aber keine weiteren Veränderung in südosteuropäischen Ländern. „Dort, wo wir Marktführer sind, geht es uns gut“, erklärt Merl. Probleme mit den politischen Institutionen oder Oligarchen habe G+J bisher nicht gehabt.

Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, ging am Donnerstag bei der Veröffentlichung der Halbjahresbilanz 2010 seines Konzerns zwar nicht näher auf Hombachs Kritik am Balkan ein, schloss aber eine Übernahme der WAZ-Titel in Serbien aus. Döpfner wies auf die Wachstumschancen hin, die das Joint Venture mit Ringier biete. Ziel sei, die digitale Transformation der marktführenden Marken in den jeweiligen Ländern voranzutreiben. An zweiter Stelle stehe, die Kernkompetenzen im digitalen Geschäft durch Akquisitionen zu stärken. Außerdem sieht Döpfner eine große Chance darin, die vorhandenen Marken, die Ringier und Springer besitzen, in anderen Auslandsmärkten zu etablieren. Insgesamt geht Döpfner in den nächsten Jahren von Investitionen in niedriger, dreistelliger Millionenhöhe aus. Das Joint Venture bietet für beide Großverlage enorme Vorteile: Der Springer-Verlag, der im ersten Halbjahr 2010 seinen Umsatz um 8,7 Prozent auf 1,36 Milliarden Euro steigern konnte, kann seinen Umsatz hochtreiben, Ringier bekommt frisches Kapital in die Kasse gespült.

Derweil bedauert der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft den Rückzug der WAZ-Gruppe aus Serbien. „Ich hoffe, dass der angekündigte Rückzug als Alarmsignal wahrgenommen und wieder zur Verbesserung der Investitionsbedingungen führen wird“, sagte Ost-Ausschuss-Vorsitzender Klaus Mangold.

Hombach will den EU-Kommissiaren in Brüssel von den Erfahrungen der WAZ berichten. Investieren will der Essener Konzern künftig erstmal wieder im Heimatmarkt.

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