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Tatort Staatsgrenze: Die Wiener "Tatort"-Kommissare Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) im Einsatz.

© ARD Degeto

"Tatort" aus Wien: Kalter Krieg und heiße Sprüche

Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser am Eisernen Vorhang. Der Kalte Krieg holt die österreichischen „Tatort“-Kommissare ein.

Wien ist das neue, wenn nicht sogar bessere „Tatort“-Münster. Der Unterhaltungswert der österreichischen Beiträge zur ARD-Krimireihe mit Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser nimmt von Folge zu Folge zu, dabei sind die Fälle um einiges hintergründiger als in der westfälischen Provinz. Die Kommissare des Bundeskriminalamtes in Wien werden zudem beinahe in jeder Folge durch politische und bürokratische Rücksichtnahmen ausgebremst. Jedenfalls fehlt es nie an solchen Versuchen, auch wenn diese diesmal nicht von Wien, sondern von Prag ausgehen.

Der Titel "Grenzfall" ist doppelt richtig

Die neue Episode trägt den Namen „Grenzfall“ – und das ist gleich doppelt richtig. Am österreichisch-tschechischen Grenzfluss Thaya werden zwei Tote gefunden. Allerdings liegen zwischen den beiden Ereignissen 47 Jahre. Der erste Tote stirbt zur Zeit des Prager Frühlings, als an der Grenze zwischen Österreich und der damaligen CSSR noch scharf geschossen wird. Bei dem Toten in der Gegenwart handelt es sich um einen tschechischen Touristen, der mit dem Kajak auf der Thaya unterwegs war. Ganz so harmlos war der Mann jedoch nicht. Sein Geld hat er als Geheimdienstler in zweiter Generation verdient. Und ein Unfall war sein Tod schon gar nicht.

Akten riechen nach Bürokratie und Ärger, meint Manfred Schimpf (Thomas Stipsits, hinten), der neue Assistent von Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer). Foto: ARD Degeto
Akten riechen nach Bürokratie und Ärger, meint Manfred Schimpf (Thomas Stipsits, hinten), der neue Assistent von Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer). Foto: ARD Degeto

© ARD Degeto/ORF/Allegro Film/Mile

Ein Grenzfall sind allerdings auch die geschliffenen Dialoge, an denen Manfred Schimpf (Thomas Stipsits) seinen Anteil hat. „Fredo“ ist der neue Assistent von Moritz Eisner und Bibi Fellner. Zur Lösung der Fälle trägt er zwar nicht bei, dafür versucht er sich als Pausenclown. Eine Kostprobe: „Die Akten riechen nach Ärger mit einem Hauch Bürokratie“, sagt der Neue und erwidert auf die Frage, ob er ein Komiker sei? „Nein, ein echter Schnüffler“. Richtig grenzwertig wird es allerdings, wenn dann auch noch ein etwas einsilbiger Polizist aus der Grenzregion als örtlicher Verbindungsmann hinzukommt. „Wo ist die Zeugin?...In Wien. Wo ist die Leiche?...In Wien. Was mach ich dann hier?...Das dürfen sie mich nicht fragen.“ Doch der Krimi bekommt noch die Kurve, schließlich sind die Hintergründe des Falls viel zu spannend.

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Das Buch beruht auf einer wahren Geschichte

Tatsächlich beruht das von Rupert Henning verfasste Drehbuch, das er als Regisseur auch selbst umgesetzt hat, auf einer wahren Begebenheit aus der Zeit, als der Eiserne Vorhang Europa noch in zwei Hälften teilte. Es geht um Flucht und Schießbefehl, aber auch um Freundschaft und Verrat. Und um Geheimnisse, die fast ein halbes Jahrhundert lang bewahrt wurden. Daran rührt neben den Kommissaren aus dem fernen Wien auch der Journalist Max Ryba (Harald Windisch), der gerade zu der Zeit, als der zweite Tote aus dem Grenzfluss gefischt wird, vor Ort weilt, weil er seine Mutter beerdigen muss. Rybas Vater wird seit Ende der 1960er Jahre vermisst. Er kam von einem nächtlichen Angelausflug nicht zurück, seine Leiche wurde jedoch nie gefunden. Und eine offizielle Auskunft verweigerten die tschechischen Behörden. Zwischen beiden Fällen gibt es eine Verbindung, über die der tschechische Geheimdienst noch immer nicht reden möchte. Und den auch die eigene Polizei unter den Teppich kehren soll. Wie sagt Oberstleutnant Eisner zu seiner tschechischen Kollegin: „Beim Lüften werden in Prag ab und an Leute aus dem Fenster gestürzt“. Die Kollegin weiß zu kontern: „Sie können beruhigt sein, ich arbeite grundsätzlich im Erdgeschoss.“

Mit viel Akribie und Humor werden auch die Nebenfiguren gezeichnet, darunter beispielsweise die Archäologin Professorin Thiele-Voss (Andrea Clausen) die am Flussufer einige interessante Entdeckungen macht, die nichts mit der Steinzeit zu tun haben. Vor allem aber den beiden Hauptakteuren gibt Henning genügend Raum, um sich zu entfalten. Getrennt ermitteln, um gemeinsam zum Ziel zu kommen. Dass sich dabei Bibi Fellner und der Journalist näherkommen, ist an sich keine große Sache. Dafür wirkt es umso rührender, wenn ihr Kollege Eisner eifersüchtig reagiert und ihr eine öffentliche Szene macht.

Manches an diesem „Grenzfall“ erscheint nach einer Weile etwas vorhersehbar. Doch davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Ohnehin wird hierzulande oftmals vergessen, dass die Teilung der Welt in Ost und West nicht nur an der deutsch-deutschen Grenze Opfer gefordert hat.

„Tatort: Grenzfall“, ARD, Sonntag um 20 Uhr 15

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