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Tatort

© MDR

Tatort: Kampf ums Kind

Der neue Fall erinnert das Ermittler-Duo in Leipzig an seine Vergangenheit.

War der Mord am eigenen Kind einst das Verbrechen, so ist heute im Zeitalter der Repromedizin das Geschäft mit dem Kind an diese Stelle gerückt. Zwar gibt es immer noch Mütter, die ihre Neugeborenen töten. Interessanter aber für den modernen Krimi ist der Mord um eines Neugeborenen Willen. In „Ausweglos“, dem neuen „Tatort“ aus Leipzig, sind es gleich zwei Morde, die verübt werden, um die kriminellen Machenschaften rund um eine Geburt zu vertuschen.

Gleich vorweg: Der Film hätte sehr gewonnen, wenn es bei einem Mord, dem an der leiblichen Mutter des begehrten Säuglings, geblieben wäre. Der Overkill, der mit der Tötung an einer Hebamme einsetzt, bestätigt den Verdacht, den sogenannte Folgemorde in Krimis oft auslösen: Dass dem Autor (hier: Andreas Pflüger) der Spannungsfaden gerissen ist und er mittels einer weiteren Leiche das Publikum bei der Stange halten will. Meist mit eher umgekehrtem Effekt. Es breitet sich nämlich rasch ein Unbehagen aus, wenn es zu viele Tote gibt.

Die hohe moralische Hemmschwelle, die ein Mörder, der nicht gerade von Beruf Auftragskiller ist, zu überwinden hat, bevor er ein Leben auslöscht, sinkt dramatisch, wenn er gleich ein zweites Mal zuschlägt. Er ist dann nicht mehr „einer von uns“, also ein Normalo, der mordet, was ja immer am interessantesten ist (pathologische Mörder sind, von Ausnahmen abgesehen, langweilig). Und wenn das Interesse an der mörderischen Persönlichkeit sinkt, sinkt auch die Spannung. Für „Ausweglos“ gilt außerdem, dass selbst eine arg grobschlächtige Psychologie den Doppelmord schwerlich mit dem Charakter jenes einfachen Leipziger Bürgers in Übereinstimmung bringen kann, der es dann schließlich gewesen ist.

Schade, denn die Umstände der Tat, der ganze Komplex: Kinderwunsch eines unfruchtbaren Paares, illegale Leihmutterschaft, vermittelnde kriminelle Ärzte, Erpressung, viel Geld, ist von Buch und Regie (Hajo Gies) hervorragend dargelegt worden. Nichts fehlt, sogar die vorgetäuschte Schwangerschaft hat ihren Platz im Puzzle. Und das Darstellervolk bewegt sich sicher und ausdrucksstark durch den verschlungenen Plot. Nur die tote Hebamme ist eben schwer zu verkraften. Zumal man sie gar nicht erst kennenlernen durfte und sie ihre Rolle schon fast ausgespielt hat, wenn der Film anfängt. Auch das erste Opfer wird nur kurz als Leiche vorgestellt, Rückblenden hätten mehr Empathie erzeugt.

Die hat „Ausweglos“ für das Ermittler-Paar reserviert, das sich ja nun als neues Leipziger Duo durchsetzen muss. Ob es eine gute Idee war, Hauptkommissarin Eva Saalfeld (Simone Thomalla) und Hauptkommissar Thomas Keppler (Martin Wuttke) durch eine Ex-Ehe zu belasten, deren erotisches Fundament offenbar noch nicht erodiert ist, sei dahingestellt. So was kann klappen, kann aber auch ganz schön nerven, vor allem wenn die Autoren späterer Folgen sich in die Pflicht genommen fühlen und auf diesem Aspekt rumreiten (was man befürchten muss). Hier muss man einfach abwarten. Nicht warten mit Kritik aber darf man bei „Ausweglos“ bezüglich des Extra-Motivs, das Saalfeld und Keppler bei ihrer Arbeit antreibt.

Sie haben nämlich beide ihrerseits, als sie noch verheiratet waren, ein Kind verloren und sind bei diesem Fall nun tief verstrickt in ihre alten Ängste. Klar, auch Kommissare sind Menschen, manche sind geschieden und trauern um ein Kind. Aber muss es gleich alles auf einmal sein?

Was die Neigung von Krimi-Autoren betrifft, ihre Polizisten oder Detektive mit der ganzen Wucht ihres Privatlebens in die Handlung zu treiben, gibt es ja zwei Schulen. Die eine sagt: Kommissare sind Menschen und quälen ihre Zuschauer mit der pubertierenden Tochter oder gescheiterten Ehe ihrer Cops, siehe Leipzig-Tatort. Die andere sagt: Kommissare sind Kommissare und bieten uns den Ermittler, der seinen Job macht, nicht weil er sich mit dem Opfer identifiziert, sondern weil er die Wahrheit wissen will. Letzterem gebührt die Palme, in der Literatur und im Film.

„Tatort: Ausweglos“, 20 Uhr 15, ARD

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