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Ich bin ein Star, lasst mich hier rein. Nora Tschirner, Christian Ulmen sind neues „Tatort“-Team.

© dpa

"Tatort": Superstar-Fahnder statt Super-Spannung

Joachim Huber wundert sich über die Star-Inflation bei der ARD-Krimireihe und entdeckt beim "Tatort" Parallelen zum "Traumschiff".

Als Harald Schmidt vom Schauspieler zur Knallcharge wechselte, hatte er sich ein Argument überlegt. Drehort gehe künftig vor Drehbuch. Seitdem macht sich Schmidt als Kreuzfahrtdirektor Oskar Schifferle auf dem „Traumschiff“ des ZDF zum Affen. Ist dem Harald Schmidt völlig schnurz, zehn Millionen Zuschauer können nicht irremachen.

Nora Tschirner und Christian Ulmen Beim nächst erfolgreichen Format im deutschen Primetime-Fernsehen, dem „Tatort“ im Ersten, wird – nicht mehr – anders gedacht und gehandelt. Der BR meint, er müsse jetzt auch einen Franken-Krimi ins erste Programm bringen. Der MDR ist schon weiter, er hat Thüringen, genauer: Weimar entdeckt und die Besetzung gefunden – Nora Tschirner und Christian Ulmen werden immer an Weihnachten mit Punsch und Flunsch herumfahnden.

MDR-Fernsehchef Wolf-Dieter Jacobi will vor Freude fast in die Ilm springen: „Wir sind sehr stolz, dass wir zwei deutsche Superstars gewinnen konnten.“ Das ist so toll, wie Ulrich Tukur für den HR agiert oder Til Schweiger für den NDR. Einmal im Jahr tun sie das, der Schauplatz ist höchstens Kulisse, an den Nummernschildern und am Dialekt der Büroassistentin erkennbar. Die „Tatortisierung“ der deutschen Fernsehlandschaft plus das Engagement der Superstars bringen den Krimi um.

Mehr „Tatorte“ und mehr „Polizeirufe“ werden die Schlagzahl der eingeführten Krimis im Jahr senken. Wie sich da Figuren, Biografien entwickeln sollen? Sollen sie gar nicht, mehr und mehr laufen diese Instant-Kommissare durchs Bild. Die jüngste Novität aus Dortmund steht als Beispiel ein. „Alter Ego“, Ende September im Ersten, bot Konzentration auf Kommissar Peter Faber (gespielt von Jörg Hartmann). So breit wie tief wurde eine schwer verwundete Seele – gilt im Fernsehen immer als Ausweis von Interessantheit – auserzählt. Wer als „Schizo“, als Beziehungsgestörter, als Defekt-Deutscher eingeführt wird, der ist sofort identifizierbar. Die Figur muss sich nicht entwickeln, der Zuschauer wird ins Reiz-Reaktions-Schema integriert. Drum herum werden Flach-Menschen drapiert, der eigentliche Mordfall ist von so luzider Schlichtheit, dass es schon verwundert, warum der Täter sich kein Schild „Gesucht – Gefunden“ auf die Stirn pappt.

Das wird mit den Superstar-Fahndern noch schlimmer werden. Die Dominanz der Prominenz wird das eigentliche „Whodunit“ aus dem „Tatort“ weiter herauspressen. Der ARD-Krimi will glitzern, als Prunkstück von Autors Raffinesse, zu laufender Dramaturgie und zugespitzter Inszenierung möchte er länger nicht glänzen. Stars werden inszeniert, im besten Falle interpretiert. Da irgendeiner der Täter sein muss, wird irgendeiner als Täter ausgeguckt. Geht auch anders, es sei nur an den letzten HR-„Tatort“ mit Andrea Sawatzki und Jörg Schüttauf erinnert. „Weil sie böse sind“: ein Highsmith-Krimi, in dem ein Matthias Schweighöfer einen Milan Peschel zum Mörder manipuliert. Die Fahnder sehen es mit Staunen, Randfiguren im blutigen Menschen-Spiel.

Wenn Tukur, Schweiger, Ulmen und Tschirner einmal pro ARD-Jahr an den „Tatort“ drängen, wird Spannungs-Fernsehen gegen Starkino eingetauscht. Der Fall als Folie, vom Drehbuchautor mit den üblichen Glutamat-Tricksereien zum Amuse-Gueule eines erstaunlich genügsamen Publikums hochgejazzt. Da ist der „Tatort“ nur gut besetzt.

Der Sonntagabendkrimi ist mit seiner Star-Aufmerksamkeits-Sehnsucht, seiner missverstandenen „Deutschland, überall ,Tatort’-Land“-Manie auf das „Traumschiff“ gekommen. Längst ist nicht mehr wichtig, was da als „Tatort“ kommt, wichtig ist nur noch, dass der „Tatort“ am Sonntag um 20 Uhr 15 kommt. Oder um es mit Schmidt-Schifferle zu sagen: „Mörder ahoile“.

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