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Tatort: Zurück zur Zukunft

Der Stuttgarter "Tatort" dreht sich um ein Trauma des Kommissars. Zeit zum ermitteln bleibt Thorsten Lannert und Sebastian Bootz deshalb kaum.

Manchmal haben Kommissare das Pech, dass ihnen privat die Welt um die Ohren fliegt. Zeit zu ermitteln bleibt ihnen dann kaum. Im Stuttgarter "Tatort" "Tödliche Tarnung" ist dieses Mal einer dieser Tage. Schon in Minute 25 treffen Thorsten Lannert und Sebastian Bootz die offenbar wichtigste Zeugin im Mordfall; auf die Idee, sie noch einmal zu befragen, kommen sie jedoch erst in Minute 70. Zu sehr sind sie in der dazwischenliegenden Dreiviertelstunde mit der Aufarbeitung von Lannerts Backstorywound beschäftigt. Dieses Wort haben sich amerikanische Drehbuchautoren ausgedacht, auf Deutsch hieße es - weniger attraktiv - Hintergeschichtenverletzung. Gemeint ist der Schlüssel zur Persönlichkeit des Helden, das Trauma, das ihn zu dem Menschen gemacht hat, der er ist.

"Tödliche Tarnung" (Regie: Rainer Matsutani) ist erst die dritte Folge des Stuttgarter "Tatorts", seitdem Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) Kommissar Bienzle abgelöst haben. Verständlich, dass Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt den Zuschauern erklären will, mit wem sie es ab jetzt zu tun haben. Leider dominiert die Erschließung der Lannertschen Persönlichkeit diese Folge derart, dass bewährte "Tatort"-Prinzipien drangegeben werden. Es gibt dafür zwei ausgedehnte Rückblenden, und der Täter ist von Anfang an bekannt.

Als die Kommissare den Zollbeamten Uwe Scheer ermordet am Flughafen finden, die Hand durchschossen, weiß Lannert sofort, wer verantwortlich ist: Dieses Zeichen hinterlässt der Waffenhändler Victor de Man, wenn einer seiner Gefolgsleute widerspenstig wird, als Warnung an alle übrigen. Bevor Lannert nach Stuttgart kam, war er in Hamburg als verdeckter Ermittler auf de Man angesetzt, daher die genaue Kenntnis des Modus Operandi. Doch der Kommissar flog auf, de Man entkam, und Lannert erlitt den denkbar größten privaten Verlust. Umso mehr will er de Man nun beweisen, dass er den Zollbeamten zunächst bestach, um Waffen ins Ausland zu liefern, und schließlich tötete.

Mit Lannert und Bootz ist in Stuttgart einiges anders geworden. Im Treppenhaus wartet auf den Kommissar nicht mehr der Hausmeister, der die Kehrwoche anmahnt, sondern eine junge Nachbarin, notorisch unbekleidet. Schwäbeln dürfen nur noch die Nebenfiguren, die Kommissare dagegen klopfen ihre Sprüche, Marke kernig-männlich, auf Hochdeutsch. Das sind für den traditionsbewussten "Tatort"-Zuschauer schon genug Umstellungen, dazu kommt die umfängliche psychologische Ausdeutung Lannerts in dieser Folge. Darum freuen wir uns, den Kommissar jetzt zu kennen und ihn bald hoffentlich wieder mehr ermitteln zu sehen.

"Tatort: Tödliche Tarnung", ARD, 20 Uhr 15

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