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Medien: Telegene Katholiken

Kehrt der Glauben ins Scheinwerferlicht zurück? Eine Diskussion auf dem Evangelischen Kirchentag

Reinhold Beckmann kann so brutal ehrlich sein, dass selbst den Gläubigen ein Schreck in die Glieder fährt. „Kirchenthemen sind keine Quotenbrüller“, sagte er gestern auf dem Evangelischen Kirchentag in Köln. Der ARD-Talker war zu Gast bei der Diskussion „Glauben im Scheinwerferlicht“ und überlegte unter anderem mit dem stellvertretenden „Stern“-Chefredakteur Hans-Ulrich Jörges, der WDR-Fernsehdirektorin Verena Kulenkampff und Wolfgang Huber, dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, ob die Religion in die Öffentlichkeit zurückkehrt. Da Beckmann es nach zwei Jahren Überzeugungsarbeit seiner Redaktion sogar geschafft hatte, den katholischen Kardinal Joachim Meisner in seine Talkshow einzuladen, galt er offenbar den Organisatoren als Experte bei diesem Thema. Darüber durfte man sich ein bisschen wundern. Andererseits traten in den 3000 Veranstaltungen des Kirchentags vermutlich alle Prominenten Deutschlands irgendwo mal auf, da musste halt auch mal Beckmann ran.

Zweifellos sind die Kirchen, namentlich die katholische, zuletzt aus nahe liegenden Gründen stärker in den Blickpunkt der Medien gerückt: Der Tod von Johannes Paul II., die Wahl des deutschen Kardinals Ratzinger zum Papst, der Weltjugendtag in Köln, die Reise von Benedikt XVI. in die Heimat, das waren eindrucksvolle Massenereignisse, die das Bildmedium Fernsehen mit ausreichend Futter versorgten. Die Protestanten sind da etwas im Nachteil, weil „katholische Kardinäle einfach bunter, exotischer und telegener aussehen als ein evangelischer Bischof“, wie der Mannheimer Sprachwissenschaftler Jochen Hörisch launig bemerkte. Auch dürfe sich die Katholische Kirche das Format „Beim Sterben live dabei“ urheberrechtlich schützen lassen. Womöglich war unter den Applaus der Kirchentagsbesucher auch ein wenig Neid gemischt, wer weiß.

Bischof Huber kann sich allerdings über mangelnde Präsenz in den Medien eher nicht beklagen. „Wir wollen so gerne mündige, aufgeklärte Christen und wollen das auch mit den modernen Medien fördern“, schickte er ein klares Bekenntnis in den Saal. Die Rückkehr der Religion sei ein falscher Ausdruck, betonte er. Vielmehr gebe es eine Wiederentdeckung der Bedeutung der Religion, die sich auch in volleren Kirchensälen ausdrücke. Zu erklären sei das nicht allein mit dem 11. September 2001 und der Auseinandersetzung mit dem Islam. Seit Ende der neunziger Jahre sei das Bedürfnis nach Sinnsuche gestiegen.

Verena Kulenkampff, neue Fernsehdirektorin des WDR, sprach lieber von einer neuen Wertediskussion. Dies sei etwa an den hohen Einschaltquoten des Films „Marias letzte Reise“ abzulesen. Dagegen wollte sie die Krimikomödien mit „Pfarrer Braun“ nicht als Zeichen für eine Rückkehr der Religion werten. Das Fernsehen könne Religiöses kaum vermitteln, sagte sie. Es könne keine kollektiven Räume schaffen für spirituelle Erlebnisse. Es bleibe immer die analytische, die journalistische Distanz.

Doch selbst ein bekennender Atheist wie Hans-Ulrich Jörges, stellvertretender „Stern“-Chefredakteur und im Nebenberuf Talkshowgast, wünscht sich eine offensivere Nutzung der Massenmedien durch die Kirchen. Wieso könne eine Firma wie Audi Internetfernsehen anbieten, aber nicht die Kirchen, die ihre eigenen Medien in den vergangenen Jahren kaputtgespart hätten? Auch wünschte sich Jörges mehr Bischöfe und Kirchenvertreter als Gesprächspartner vor der Kamera. Huber bot sich daraufhin an, Gesprächspartner für „Beckmann“ zu vermitteln. Thomas Gehringer

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