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Eurofighter-Pilot Lars Koch (Florian David Fitz, vorne), sein Verteidiger (Lars Eidinger, l), die Staatsanwältin (Martina Gedeck) und der Richter (Burghart Klaußner, r).

© Julia Terjung/ARD Degeto/Moovie/dpa

"Terror - Ihr Urteil": Das Ausnahmefernsehen besiegt das Gewohnheits-TV

Das Publikum hat den ARD-Event "Terror - Ihr Urteil" zum Erfolg gemacht. Es muss mehr derartiges Fernsehen geben, wenn Bürger und Zuschauer zusammenkommen sollen. Ein Kommentar

Es ist ein strahlender Erfolg. Die ARD hat mit dem Schwerpunkt "Terror - Ihr Urteil" hervorragende Quoten erzielt. Fast sieben Millionen Zuschauer schalteten die TV-Verhandlung ein, die anschließende "Hart aber fair"-Diskussion wurde von 6,3 Millionen verfolgt. An der Abstimmung online und per Telefon beteiligten sich 609 000 Menschen. Kein Programm war am Montagabend erfolgreicher.

Was heißt: Das Ausnahmefernsehen hat das Gewohnheitsfernsehen auf die Plätze verwiesen. Der ZDF-Krimi, die RTL-Suche für Bauern, die unentwegt Frauen suchen - das Publikum hat sich in der Mehrheit gegen die Wiedergänger im Programm entschieden. Es wollte sich informieren über die Frage, ob der Luftwaffenpilot Lars Koch 164 Menschen töten durfte, um annähernd 70.000 andere Menschen zu retten. Es wollte sich von der televisionären Aufbereitung des Theaterstücks von Ferdinand von Schirach fesseln lassen, es hat sich von der Möglichkeit zur Abstimmung animieren lassen. Zuschauer, die nicht hin und her gerissen wurden zwischen Freispruch und Schuldspruch, werden in der deutlichen Minderheit gewesen sein.

Die ARD, das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat gezeigt, dass der Zuschauer nicht unterschätzt werden darf. Ja, er will Unterhaltung, ja, er will von den üblen Nachrichten des Tages abgelenkt werden. Und doch ist der Fernsehzuschauer nur einen Einschaltknopf vom Bürger entfernt. Beide bilden eine ernstzunehmende Einheit. Wer trotzdem die paternalistische Schlussfolgerung zieht, dass die Fernsehzuschauer nicht mit juristischen Fragen behelligt werden dürfen, die vom Verfassungsgericht zweifelsfrei (?) geklärt worden sind, der negiert die Kraft des Mediums zur abwägenden, unterhaltsamen, teilnehmenden Staatsbürgerkunde. "Terror - Ihr Urteil" verneint die arrogante These, dass ein Massenmedium nur Unterhaltung kann und können muss. Im Fernsehen, da richtig agiert, steckt mehr Dialektik als Dummheit.

Mehr Abstimmungen im TV?

Also mehr davon, mehr Abstimmungen im TV? Das Fernsehen ist Teil der Like-Demokratie. Es wird immer und überall gevotet, bewertet, über Ja und Nein, Richtig und Falsch entschieden. Das hat das Medium auch bipolar verstört. Namentlich im Privatfernsehen sind die Castingshows nichts anderes als ein Geschäftsmodell. Auch das öffentlich-rechtliche Medium hat sich darauf verständigt, öffentliche Fragen in Talkshows zu bewerten, in vielen Fällen heißt das: zu entsorgen. Das durchgängige Diskussionsniveau jenseits der Spartenkanäle wie Phoenix ist steigerbar. Es liegt am Medium selbst, was es seinem Publikum zumutet, wie es am Publikum liegt, was es sich zumutet.

Fatal wären zwei Konsequenzen: "Terror - Ihr Urteil" bleibt ein Einzelfall. Dann wäre der Erfolg vom Montag verpufft. Zweitens: Ein Format wie "Terror - Ihr Urteil" wird zum Regelfall. Das Fernsehen, unverändert das zuschauerattraktivste Medium in Deutschland, muss sich hüten, die Simulation von Wirklichkeit als Wirklichkeit zu verkaufen und vom Populären ins Populistische abzugleiten.. "Terror - Ihr Urteil" war eine Fiktion, freilich die Ähnlichkeiten mit der Realität gewollt und richtig waren. ARD und ZDF - gerne auch RTL oder Sat 1 - wären bestens beraten, sich ihrer Möglichkeiten zu besinnen, und gesellschaftlich relevante Fragen in die (Fernseh-)Öffentlichkeit zu schieben. Mit der Qualität, mit der Sorgfalt, mit der adäquaten Kombination aus Film und Talk. Dann kann der Zuschauer das Gesehene, das Gehörte, das Erlebte in seinen Gedanken- und Gemütshaushalt aufnehmen, es wägen, es debattieren, darüber abstimmen. Dann, und nur dann, finden Fernsehzuschauer und Bürger zusammen - in dem Bewusstsein, dass ihn existenzielle Fragen angehen.

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