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Umsonst. FBI-Mann O’Neill (Karl Hemeyer) warnt vor Al Qaida. Foto: ZDF

© Niko Günther

Terror-TV: Verschwörung, was sonst

Das ZDF kennt noch eine wahre Geschichte zu 9/11. Dabei neigen die Autoren zu einigen Vereinfachungen.

John P. O’Neill vom FBI zählte zu den wichtigsten Anti-Terror-Experten, die jahrelang vor Al-Qaida-Anschlägen in den USA gewarnt hatten. Im Sommer 2001 quittierte O’Neill seinen Dienst bei der Bundespolizei – er wurde Sicherheitschef des World Trade Centers (WTC) in New York. Wenige Tage später starb er bei den Anschlägen vom 11. September in den Trümmern der Zwillingstürme. Ein wahrhaft makabrer Zufall, der neben der bereits mehrfach erzählten Hamburger Zeit der Attentäter Mohammed Atta und Ziad Jarrah im Zentrum des ersten Teils der ZDF-Produktion „Der 11. September – Die wahre Geschichte“ steht.

Die Geschichte des hochrangigen FBI-Agenten O’Neill ist in Deutschland weniger bekannt, aber natürlich nichts Neues. Verschwörungstheoretiker sehen in seiner Biografie ein Indiz dafür, dass die US-Regierung selbst hinter den Anschlägen stecken könnte. Oder sie zumindest billigend in Kauf nahm, um Kriege aus wirtschaftlichem Interesse führen zu können. Schließlich seien die Warnungen vor Al Qaida konsequent überhört und einer der hartnäckigsten Jäger von Osama Bin Laden kurz vor dem 11. September abserviert worden. Die Autoren Marc Brasse und Florian Huber der szenischen Dokumentation versprechen „die wahre Geschichte“, eine vollmundige Floskel, die hier nicht wirklich berechtigt ist.

So scheint der 11. September fürs ZDF nur aus den Anschlägen in New York und die Gruppe der Attentäter nur aus Atta und Jarrah zu bestehen. Auch im Detail gehen die Autoren eher grobmotorisch vor. Muslimische Kämpfer hätten dafür gesorgt, dass die Sowjets 1989 aus Afghanistan abziehen mussten. Kein Wort darüber, dass die Mudschaheddin mit Waffen und Geld aus den USA unterstützt worden waren. Wie in Washington später auf die zunehmende Radikalisierung islamistischer Gruppen reagiert wurde, wie die Resonanz auf die Warnungen vor Al Qaida in der Regierung wirklich war, wird nur schemenhaft angerissen. Die politischen Hintergründe, die zur „wahren Geschichte“ des 11. September gewiss dazugehören, bleiben weitgehend im Dunkeln. Denn in der Primetime zählt nicht Analyse, sondern persönliches Schicksal.

Also erfährt man ausführlich, dass O’Neill ein schwieriger Charakter war, mit Gel im Haar und der Vorliebe für dicke Zigarren, mit Familie und vier Geliebten – eine Type wie aus einem Hollywood-Film, ein „Gesamtkunstwerk“, wie einer seiner Agenten formuliert. Von den einen bewundert für seine Tatkraft, bei anderen wegen seines Egos verhasst. Der Schauspieler Karl Hemeyer versucht ihn mehr schlecht als recht in ReenactmentSzenen zu imitieren. Auf ähnliche Weise werden auch einige Begebenheiten in Hamburg mit Atta und Jarrah inszeniert.

Bemerkenswerter sind da schon andere Bilder: Man sieht Atta und Jarrah gemeinsam, angeblich in einem Ausbildungslager der Al Qaida, und einzeln, angeblich bei ihrer Abschiedsbotschaft vor dem Selbstmordkommando. Andere Video-Ausschnitte wurden im WTC gedreht, als eine spanische Al-Qaida-Zelle, als Familienausflug getarnt, das Anschlagsziel ausgespäht habe. So lautet jedenfalls der erläuternde Kommentar. Auf dem Videoband sei der Satz zu hören: „Eines Tages wirst du sie fallen sehen.“ Der Originalton der Videos wird nicht mitgeliefert, was die Glaubwürdigkeit durchaus einschränkt.

Unstrittig ist allerdings, dass sich die Bin-Laden-Jäger in den USA, gelinde gesagt, nicht leiden konnten. „Das einzig Gute an diesem Anschlag war für mich der Tod von John O’Neill“, erklärt Michael Scheuer von der Anti-Terror-Einheit der CIA. O’Neill stolperte im August 2001 über verschiedene Nachlässigkeiten im Dienst. Nichts, was für Verschwörungstheorien taugt. Aber so, wie das ZDF die Geschichte erzählt, taugt sie auch nicht, um abstrusen Theorien den Wind aus den Segeln zu nehmen.Thomas Gehringer

„Der 11. September – Die wahre Geschichte"; ZDF, 24. und 31. August, jeweils 20 Uhr 15

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