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Medien: Thinktank Medien

Ex-Grimme-Chef Hachmeister hat in Berlin ein Forschungsinstitut eröffnet

Von Barbara Nolte

Medienpolitik ist ein von Deutschlands Parteien eher vernachlässigtes Feld. Der frühere Grimme-Chef Lutz Hachmeister drückt es so aus: „Es gibt eine Diskrepanz zwischen der Bedeutung des Politikbereichs und seiner praktischen Behandlung.“ Von der Einführung des Privatfernsehens in den 80ern bis zur Gesetzgebung zur Pressefusionskontrolle – welche Fernsehkanäle, Zeitungen, schließlich Sendungen es gibt, basiert auf Grundsatzentscheidungen der Politik. Und diese Entscheidungen werden von Politikern gefällt, die sich auf fast alles lieber spezialisieren als auf Medienpolitik. „Nach Peter Glotz ist eigentlich niemand mehr nachgekommen“, sagt Lutz Hachmeister. Glotz, der große Politiker, auch Medienpolitiker der SPD, ist im Sommer gestorben. Der profilierte medienpolitische Experte der CDU, Günter Nooke, ist nicht mehr in den neuen Bundestag gewählt worden. Lutz Hachmeister hat nun in Berlin das so genannte „Institut für Medien- und Kommunikationspolitik“ (IfM) gegründet, um medienpolitische Entscheidungen mit Sachkenntnis zu untermauern. In Amerika würde man von Thinktank sprechen.

„Wir werden alle Medienpolitiker Deutschlands zu einem Erfahrungsaustausch einladen“, sagt Hachmeister, „das gab es noch nie.“ In monatlichen Kolloquien sollen außerdem aktuelle Themen debattiert werden. Als eines der ersten Themen der im März beginnenden Veranstaltungsreihe kündigt Hachmeister eine Diskussion zur Reform der deutschen Medienaufsicht an. „Die Behörden stehen sich gegenseitig auf den Füßen“, sagt er – das sehe man wieder beim kartell- und medienrechtlichen Übernahmeverfahren von ProSiebenSat 1 durch Springer. Hachmeister kritisiert die Kommission zur Kontrolle der Konzentration im Medienbereich (KEK), die die Fusion von Springer und ProSieben Sat 1 ablehnte, nachdem sie zu den Marktanteilen der ProSiebenSat 1-Sender nach einem bestimmten Schlüssel die Leser der Springer-Zeitungen addiert hatte und für den fusionierten Konzern auf einen Zuschaueranteil von 42 Prozent gekommen war. Das Rechenmodell sei „abstrus“, sagt Hachmeister. „Wir brauchen klare Kriterien, mit denen die Unternehmen künftig Übernahmen planen können.“ In einem weiteren Kolloquium will sich das Institut mit der Rollenverteilung im Fernsehen zwischen Sendern, Produzenten und Autoren beschäftigen. „In Deutschland geben die Sender vor, was die Produzenten zu produzieren haben“, sagt er, „das ist in unseren europäischen Nachbarländern längst anders.“

Bereits im September hat Hachmeisters Institut in der Berliner Fasanenstraße seine Arbeit aufgenommen; am 14. Februar ist offizielle Eröffnung. Zurzeit sitzen die zehn Mitarbeiter schon an zeitlosen Themen wie einer Studie über die internationale Qualitätspresse – etwa „El País“ oder den „Guardian“ – und einer öffentlich zugänglichen Datenbank zu in- und ausländischen Medienkonzernen. Zum Spektrum zählen auch rein wissenschaftliche Themen, so will das IfM die Politik-Theorien von Max Weber und Niklas Luhmann auf kommunikations- und medienpolitisches Handeln ausweiten. Denn auch zwischen den Medienwissenschaftlern und den Praktikern in Journalismus und Medienpolitik klafft in Deutschland eine große Lücke.

Hachmeister hat in fast allen den Medien anverwandten Bereichen gearbeitet, die in Deutschland normalerweise Welten trennen und die sein Institut verbinden will: Nachdem er das Grimme-Institut verlassen hatte, wurde er Professor in Dortmund, Medienberater unter anderem des ZDF-Intendanten Markus Schächter, preisgekrönter Dokumentarfilmer und Gründer und Leiter der Cologne Conference. In diesem Jahr veranstaltet er das Fernsehfilmfest erstmals zusammen mit dem Spiegel-Verlag. „Die Partnerschaft bringt uns mehr Geld, mit dem wir auch prominente Gäste aus den USA einladen können“, sagt er.

Vor allem wird Hachmeister nachgesagt, ein guter Netzwerker zu sein, was man dem hochkarätig besetzten Kuratorium seines Institutes ansieht: Dem gehören unter anderem die Chefs vom ZDF, RTL, UFA, Teamworx, Premiere, vom Spiegel-Verlag und von der Verlagsgruppe Holtzbrinck an. Diese großen Medienunternehmen und Rundfunkanstalten sowie einige Bundesministerien bringen auch das Jahresbudget von 850 000 Euro auf. Hachmeister schließt fürs erste aus, dass das IfM seinen Etat aufbessert, indem es zum Beispiel im Auftrag Gutachten schreibt. „Damit würden wir unsere Unabhängigkeit verlieren.“

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