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Thomas Gottschalk

© ddp

Thomas Gottschalk: Die 1.-Klasse-Dampflok

Statt sich nach den schlechten Kritiken der letzten Monate erst einmal komplett zurückzuziehen, geht Moderator Thomas Gottschalk in die Offensive und startet mit einem neuen Projekt: Der Entertainer wird ab kommenden Montag eine tägliche Casting-Show beim ZDF moderieren.

Thomas Gottschalk und Musical, das passt eigentlich überhaupt nicht zusammen. Gottschalks größter Trumpf ist seine Spontaneität, die Fähigkeit, auf jede Situation mit einem frechen Spruch zu reagieren. Die Kunst beim modernen Dauerbrenner-Musical besteht dagegen darin, ewig dasselbe zu machen, ohne dass es nach Fließbandarbeit aussieht. Die richtig guten Darsteller geben ihrem Publikum auch in der 800. Wiederholung das Gefühl, eine Premiere zu erleben. Gottschalk aber sind schon die drei Probedurchläufe lästig, die vor jeder „Wetten, dass...?“-Sendung gemacht werden müssen, damit die Kameraleute wissen, wo sie ihre Objektive hinhalten sollen. Es sind klassische Musicalhasser-Argumente, die sich der 57-jährige Entertainer derzeit anhören muss: Er mache seinen Job zu routiniert, um seiner abgenudelten Show noch Leben einhauchen zu können. Seit „Wetten, dass...?“ die Zehn-Millionen-Zuschauer-Grenze erreichte, ist es Mode geworden, Gottschalk zu bashen. Und der Gute-Laune-König der Nation leidet darunter wie ein Hund: „Ich höre erst auf, wenn ich solche Umfragewerte habe wie die SPD!“, rief er am Samstag in Erfurt gleich zur Begrüßung in den Saal. Immer wieder sprach er im Lauf der Sendung seine Kritiker an, kommentierte den Auftritt der Altherren-Band R.E.M. mit den Worten „Guys over 40, that’s what we need!“, Männer über 40, das ist, was wir brauchen, er pflichtete dem jungen Jimmy Blue Ochsenknecht bei, als der erklärte, er sage seinen Gegnern immer: „Wenn Ihr meine Sachen scheiße findet, schaut sie euch doch gar nicht erst an“. Und Gottschalk durfte triumphieren, 11,89 Millionen schalteten „Wetten dass...?“ am Samstag ein.

Die „Zeit“ hat bei ihm das Peter-Pan-Syndrom diagnostiziert: Thomas Gottschalk will einfach nicht erwachsen werden. Auch als reifer Mann will er seine Fans mit harmlosem Entertainment erfreuen. Und mit hart erarbeiteter Professionalität. Genauso wie das Musical. Darum ist es dann doch logisch, wenn Gottschalk nun im ZDF ein neues Casting-Format namens „Musical-Showstar 2008“ präsentiert. Lust am Verkleiden hatte der Entertainer schon immer, und „dass zur schönen Musik noch bunte Kostüme kommen“, macht ja laut Gottschalk sowieso den Reiz des Genres aus.

Was Katja Ebstein, Uwe Kröger und Alexander Goebel als Fach-Jury seit Januar mit den 8000 Bewerbern erlebt haben, ist ab heute täglich um 19 Uhr 25 zu sehen. Die von Gottschalk moderierten finalen Live-Shows starten dann am 9. April. Als Gewinn winken zwei Hauptrollen in „Starlight Express“. Damit stößt der Casting-Boom in eine neue Dimension vor: Jetzt gibt es nicht mehr nur das Versprechen auf eine Karriere zu ergattern, sondern einen ganz realen Job.

Das ZDF ist allerdings spät dran: Bereits vor zwei Jahren hatte der Entertainer seinem ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut ein „Starlight Express“-Casting vorgeschlagen. Die Idee dazu kam von seinem Freund Andrew Lloyd Webber, der mit seiner Musical-Castingshow bei der BBC überraschend erfolgreich war.

Während der „Starlight Express“ beim Zweiten noch auf dem langen Marsch durch die Instanzen war, überholte Sat 1 den Mainzer Sender: Bereits seit dem 29. Februar läuft hier das identisch gestrickte Format „Ich Tarzan, Du Jane“, das nach Protagonisten für Phil Collins’ Musical über den Lianen-Lover fahndet. Einen Unterschied gibt es immerhin: Bei Sat 1 zahlt der Zuschauer 50 Cent pro Anruf, um seinen Lieblingskandidaten zu unterstützen, beim ZDF nur die Hälfte.

Wenn Gottschalk nun das Casting für den „Starlight Express“ moderiert, treffen zwei Zeitgenossen aufeinander: Gottschalk ist bei „Wetten, dass...?“ mit kurzer Unterbrechung seit 1987 zu sehen, Webbers Rollschuh-Spektakel läuft seit 1988 in Bochum. Und doch liegen Welten zwischen TV und Theater: Mit insgesamt 11,5 Millionen verkauften Tickets ist „Starlight Express“ in Bochum das „weltweit erfolgreichste Musical an einem Standort“ – so viele Zuschauer hatte Gottschalk in seinen besten Jahren regelmäßig an einem einzigen Abend.

Bei der Show werden übrigens Darsteller für die Rollen von „Rusty“ und „Pearl“ gesucht: „Pearl“ ist ein 1.Klasse-Salonwagen, „Rusty“ eine liebenswerte, aber total veraltete Dampflok. Beide Charakterisierungen erinnern verdächtig an Thomas Gottschalk. An den Entertainer von 1987 - und an den von heute.

„Musical-Showstar 2008“, ZDF,

19 Uhr 25

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