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Das Feld rollt wieder: ARD und ZDF sind nach den zahlreichen Dopingskandalen in diesem Jahr nicht mehr dabei. Foto: AFP

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Tour-TV: Heftiger Gegenwind

In Deutschland berichtet in diesem Jahr nur Eurosport live von der Tour de France. Der durchschlagende Erfolg bleibt bisher aus.

Die Fahrradklingel ist sein Erkennungszeichen. Wenn am Rande der diesjährigen Tour-de-France-Strecke eine Kathedrale oder ein eindrucksvoller Landsitz in Sicht kommt, lässt Eurosport-Moderator Ron Ringguth sein Klingelzeichen ertönen, um das Fachgespräch seiner beiden Kollegen Karsten Migels und Ex-Radprofi Jean-Claude Leclercq zu unterbrechen. Land und Leute sind in diesem Jahr für Eurosport fast genauso wichtig wie Windkanten im Fahrerfeld und die Verfassung der Sprinterkönige. Und das mit gutem Grund: Die beiden öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF haben ihre Live-Berichterstattung von der Frankreichrundfahrt eingestellt. Eurosport ist somit der einzige TV-Sender in Deutschland, der live von der Tour berichtet. Der Sender kann sich nun einem breiteren Publikum präsentieren, das den Sport-Spartensender sonst nicht einschalten würde.

Gerade in der ersten Tour-Woche lässt es Ringguth häufig klingeln. Auf den Flachetappen halten sich die sportlichen Ereignisse in Grenzen, die Zielankünfte einmal ausgenommen. Das aber gilt derzeit auch für die Tour-Quoten. Zwar stieg die Zuschauerzahl gegenüber dem Vorjahr, doch die möglicherweise erhoffte große Wanderungsbewegung von ARD und ZDF zu Eurosport hat es zumindest bislang nicht gegeben.

Gründe dafür gibt es einige. Gerade erst ist die Fußball-Europameisterschaft zu Ende gegangen, in drei Wochen beginnen in London die Olympischen Spiele. Im Vorfeld der diesjährigen Tour mangelte es an Nachrichten aus dem Radsport, die das Interesse hätten anheizen können. Wie schnell sich das ändern kann, zeigte sich, als der Rostocker André Greipel zwei Etappensiege einfuhr. „Den Zieleinlauf am Donnerstag verfolgten 670 000 Eurosport-Zuschauer. Das ist ein Marktanteil von sechs Prozent“, sagt Eurosport-Kommunikationschef Werner Starz. Im Durchschnitt verfolgten die ersten fünf Etappen mit 285 000 Zuschauern nur 20 000 mehr als 2011, berichtet der deutsche Sprecher des pan-europäischen Sportsenders. Allerdings sahen im Vorjahr bereits so viele Radsportfans bei Eurosport zu wie im Jahr 2007. Damals hatten ARD und ZDF die laufende Tour wegen eines Dopingfalls verlassen.

Axel Balkausky, der Sportkoordinator der ARD, ist ohnehin skeptisch, was das Interesse der Deutschen am Radsport anbelangt. Bereits im Laufe der vergangenen Jahre war ein deutlicher Rückgang des Publikumsinteresse spürbar. „Wir sind darum auch nicht überrascht, dass Eurosport nicht im großen Maße von der ausbleibenden Berichterstattung durch die öffentlich-rechtlichen Sender in puncto Quote profitieren kann“, sagt er dem Tagesspiegel. In den Hochzeiten von Jan Ullrich sahen durchschnittlich drei Millionen Zuschauer die Etappen, der durchschnittliche Marktanteile lag um 30 Prozent. Seither hat die Glaubwürdigkeit des Radsports bei den Zuschauern durch die Dopingthematik massiv gelitten. Allein seit 2006 wurden zwei ursprünglichen Tour-Siegern – Floyd Landis (2006) und Alberto Contador (2010) – der Titel wegen Einnahme verbotener Mittel aberkannt, erinnert Balkausky.

Dennoch schließt der Sportkoordinator eine Rückkehr der ARD zur Live-Berichterstattung nicht kategorisch aus: „Wir werden die Entwicklung des Radsports weiterhin ganz genau beobachten und dann unsere Schlüsse daraus ziehen.“ Der Radsport müsse wieder dahinkommen, dass der Tour-Sieger auch Monate und Jahre nach der Siegerehrung noch genauso wie am letzten Tag der Tour in Paris heißt. Dieter Gruschwitz, Sportchef des ZDF, verweist darauf, dass weiterhin nachrichtlich über die Tour berichtet werde, sowohl in den täglichen „heute“-Sendungen als auch im „Aktuellen Sportstudio“ und der Sportreportage. Dass es im eigenen Sender keine Liveberichterstattung mehr gibt, betrachtet Gruschwitz „relativ emotionslos“. ARD und ZDF hätten eine Entscheidung getroffen, damit sei das Thema zunächst einmal abgehakt. „Eine Rückkehr zur Live-Tour ist zur Zeit kein Thema“, sagt Gruschwitz.

Ein umso größeres Thema ist es für Eurosport. Insgesamt 150 Stunden überträgt der Free-TV-Sportsender nun von der Tour, 80 davon live. Auf Eurosport 2 wird jeden Abend eine zweistündige Zusammenfassung gesendet. Hinzu kommen die Apps für Smartphone und Tablets und ein Player für den Computer, die die Rundum-Versorgung des Radsportfans abrundet. Mit Ausnahme von Euro und Olympia gehört der Radsport damit zu den Top-3-Sportarten des Senders

Die Radsport-Fans wissen es zu würdigen. Zu denen gehören auch der ehemalige ARD-Radsport-Kommentator Herbert Watterott und sein ZDF-Kollege Klaus Angermann. Die Eurosport-Moderatoren Migels und Leclercq wiesen nur zu gerne darauf hin, dass ihre ehemaligen Kollegen sie während der diesjährigen Tour angerufen haben.

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