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Trash-TV: Dschungelcamp vor dem Ekel-Finale

Brigitte Nielsen, Kim Debkowski und Rocco Stark kämpfen am Samstagabend um den Sieg. Nacktmodell Micaela Schäfer muss das Dschungelcamp verlassen - trotz eines skurrilen Angebots.

Acht Jahre lang war es mir gelungen, es zu ignorieren, habe ich es geschafft, diese Schmach an mir ungeachtet vorüberziehen zu lassen. Acht lange, glückliche Jahre blieb es mir erspart: das Fremdschämen, die Fassungslosigkeit, die latente Aggression. Bis zu diesem einen leidvollen Tag, an dem man mich mit diabolischem Lächeln dazu anhielt, eine Medienkritik zu verfassen. Mein höchst dramatisch inszeniertes Flehen, der Appell an die Menschenwürde, nichtige Ausflüchte – all das blieb unerhört: Es ist Freitagabend, 22.15 Uhr, und auf dem Fernsehapparat meines Freundes läuft RTL. Im Programm: Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! Der Blick meines Freundes wechselt nun zwischen Mitgefühl und Ratlosigkeit hin und her. (Wie viele Beziehungskrisen dieses Format wohl schon auf dem Gewissen hat?) Ich zucke die Schultern, kneife die Hinterbacken zusammen und reiße mich souverän am Berichterstatter-Riemen. Noch 100 Minuten. Ab jetzt.

Für alle, die an diesem Abend ähnlich jungfräulich mit dem TV-Format des so genannten Dschungelcamps konfrontiert wurden, verschaffe ich einen kurzen Überblick: Was haben wir da also? Zuallererst: Das Moderatorenteam. Wer genau dieses kleine, dicke Geschöpf im grell-bunten Schlangenlederoptik-Overall mit Paillettenbesatz samt Tropenhut ist, kann ich nicht sagen. Aber es scheint, als blickte mir Kim Schmitz entgegen, der aus Versehen durch Hella von Sinnens Kleiderschrank gestolpert ist, vorbei an ein paar Travestiekünstlern, und zur Strafe für sein Megaupload-Debakel nun Sozialstunden im australischen Blätterwald leisten muss. Ihm zur Seite gestellt: Seine Sozialarbeiterin, eine Solarium-gebräunte Blondine mit ohrenbetäubender Piepsstimme. Wer genau das ist, kann ich leider auch nicht sagen. Doch ganz dunkel im Hinterstübchen schwant es mir... irgendwas war da doch, damals, mit Bim Bam Bino.Nun gut, ich kläre auf: Hier schwadronieren Dirk Bach und Sonja Zietlow am fünfzehnten (ja, fünfzehn!) Tag des Dschungelcamps über das Leben und Leiden der letzten vier Probanden der Show, die sich doch tatsächlich um den Einzug ins Finale bemühen.

Ist etwas passiert an diesem fünfzehnten Tag? Nein. Das affektierte Gehabe des dicken Bachs und der blonden Zietlow, die so ihre Schwierigkeiten haben, korrekt vom Teleprompter abzulesen, kann nicht über den Nicht-Inhalt dieses unterirdischen Fernsehereignisses hinwegtäuschen. Die Gagschreiber, die sich vom sintflutartigen Regen, der dieser Tage über dem Camp niedergeht, und der immerzu nackten Frau mit den großen Silikonbusen (hoffentlich keine PIP-Implantate!) zu der Wendung „Untergang der Tittitanic“ hinreißen ließen, bekleckerten sich wahrlich nicht mit Ruhm. Ob sich Fips Asmussen wohl irgendwo im Gebüsch versteckt und souffliert? Einen Beweis dafür gibt es zwar nicht, aber das muss noch lange nichts heißen. Noch 70 Minuten.

Ok, was noch? Es gab eine tote Maus, die artgerecht beerdigt wurde. Ein paar Hühner, denen der Schreck, von der Atombusen-Frau und dem Vielleicht-Sohn von Uwe Ochsenknecht gejagt worden zu sein, wahrscheinlich immer noch in den Gliedern hängt. Die unfassbar unspektakuläre Costa-Cordalis-Gedächtnisprüfung, bei der ich vor Langeweile kurz eingenickt bin. Die Planung einer weiteren Reality-Show mit dem schmissigen Titel „Was geht los da rein?!“ (Achtung RTL! Schnell die Rechte sichern!) durch den Ochsenknecht-Sprössling und einen lederhäutigen Wolfgang Joop (der sich in der Sendung „Brigidde“ nennt). Dazwischen wurden immer wieder ein paar dramatisch unterlegte Rückblenden eingespielt, in Gedenken an einen wohl kürzlich verabschiedeten Raben-Mann. Gratulation an das Produktionsteam an dieser Stelle. Noch zehn Minuten.

Um kurz vor Mitternacht ist es endlich so weit: Die Zuschauer haben sich dazu entschieden, die Frau mit nichts an nachhause zu schicken, trotz ihres wirklich ambitionierten Videoaufrufs, in welchem sie selbstlos anbot, ihre Nippel-Überzieher in die heimischen deutschen Wohnzimmer zu entsenden. Als Souvenir sozusagen. Sachen gibt’s...

Ich für meinen Teil habe es geschafft. Nach 100 Minuten des Ekels (und das nicht etwa der Kakerlaken, der Ratten oder der Spinnen wegen) schalte ich ab. Das war also das Dschungelcamp. Ein abgehalftertes, gehässiges Moderatorenduo und abgehalfterte, nun ja, Prominenz. Warum sich 7,1 Millionen Zuschauer das Abend für Abend freiwillig antun, kann ich – Sie ahnen es – leider nicht sagen. Na dann, gute Nacht.

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