zum Hauptinhalt
Duken

© SWR

Traumatisch: Fremde Heimat

„Willkommen zuhause“. Ein Bundeswehrsoldat kehrt nach einem Bombenanschlag von seinem Afghanistan-Einsatz zurück, findet sich in Deutschland nicht mehr zurecht. Ein bewegender ARD-Film über das Tabuthema Posttraumatische Belastungsstörung.

Kann es Zufall sein oder hat sich Christian Pfannenschmidt doch mit Wilfried Stolze, dem Sprecher des Deutschen Bundeswehrverbandes zusammengesetzt, bevor er das Drehbuch für „Willkommen zuhause“ geschrieben hat. Der Film, den das Erste am Montagabend ausstrahlt, behandelt ein Thema, das vom deutschen Fernsehen bislang ausgespart wurde. „Willkommen zuhause“ schildert die Erlebnisse eines Bundeswehrsoldaten, der nach einem Bombenanschlag von einem „humanitären Einsatz“ aus Afghanistan heimkehrt und an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leidet. „Nach solch schrecklichen Erlebnissen haben die Soldaten Schwierigkeiten, sich auf die banalen Dinge des Lebens einzulassen. Es fällt ihnen zum Beispiel schwer, einfach in einem Supermarkt einkaufen zu gehen“, erzählt Bundeswehrmann Stolze, der selbst 1996 im Kosovo war: „Sie haben Angst, sich vor ihrer Familie und ihren Freunden zu öffnen, befürchten als Weichei dazustehen.“ Beides kann der Zuschauer miterleben, wenn er sich auf diesen bewegenden Film einlässt, der von Erfahrungen handelt, die in Deutschland nur die ganz Alten im letzten Weltkrieg gemacht haben – und nun die Jungen.

Zur Handlung: Als Bundeswehrsoldat Ben Winter (Ken Duken) nach drei Monaten aus Afghanistan zurückkehrt, sieht man ihm nicht sofort an, was er erlebt hat. Ein mit Sprengstoff beladenes Auto ist auf einen Kontrollpunkt zugerast, wurde in die Luft gesprengt und hat dabei Bens Freund und Kameraden Torben (Franz Dinda) vor dessen Augen in den Tod gerissen. Bens Eltern und seine schwangere Freundin Tine (Mira Bartuschek) unternehmen alles, damit Ben sich daheim erholen kann. Doch helfen können sie ihm nicht, immer mehr kapselt er sich ab. Wie von Stolze beschrieben, rastet Ben tatsächlich im Supermarkt aus, weil ein Kind an der Kasse um Schokolade bettelt.

Was tatsächlich bei dem Selbstmordanschlag passiert ist, Ben Winter hat es verdrängt. In der Teamworx-Produktion unter der Regie von Andreas Senn erlebt der Zuschauer, wie die Ereignisse Stück für Stück in Bens Gedächtnis zurückkehren. Zum Beispiel, wenn Ben mit Marschgepäck durch die Weinberge des pfälzischen Deidesheim joggt, um sich fit zu halten – „Ich will Z4 werden und zurück nach Afghanistan“. Zugleich leugnet er vor Vorgesetzten und Bundeswehrärzten seine Erinnerungslücken.

Zwischendurch wird der Zuschauer mit nach Afghanistan genommen. Im surrealen Gelbton gehalten sind es Bilder aus einer anderen Welt, sämtlich ohne die Annehmlichkeiten der westlichen Zivilisation. Mit 2000 anderen Soldaten wohnt Ben in einem Camp in Kundus, in dem er erst nach Tagen allein den Weg zum Duschcontainer findet.

So wird die Willkommensparty der Freunde daheim zum Desaster. Der Geruch von gegrilltem Fleisch lässt Ben erbrechen. Ein Kneipenbesuch endet in einem Ausbruch der Gewalt. Erst bei einer Nachbarin, der Ärztin Lona (Ulrike Folkerts), findet er Trost. Sie ist es dann auch, die erkennt, dass Ben ohne professionelle Hilfe verloren ist. Ben droht mittlerweile, den Verstand zu verlieren. Wie eine tickende Zeitbombe läuft er durch Deidesheim.

Der Film erhebt nicht den Zeigefinger, sondern schildert die Qualen, denen viele heimkehrende Soldaten ausgesetzt sind. Wilfried Stolze vom Bundeswehrverband begrüßt es denn auch, dass sich die ARD um das Thema kümmert. Und er wünscht sich, dass nicht nur viele Soldaten „Willkommen zuhause“ sehen, sondern auch die Politiker. „Viele Soldaten fühlen sich von der Politik schlicht im Stich gelassen“, sagt er und ergänzt: „Die Politik versteht es nicht, der Gesellschaft den Sinn von Einsätzen wie in Afghanistan zu vermitteln.“ In anderen Ländern wie Großbritannien oder den USA, die größere Erfahrung mit Kriegseinsätzen haben, sei der Umgang mit solchen Themen längst kein Tabu mehr.

Stolzes Verband, der eine Art Soldatengewerkschaft ist, hat klare Forderungen aufgestellt. Es geht um eine bessere psychologische Betreuung vor Ort, aber auch nach dem Einsatz daheim mit einem dichteren Netz an Psychologen und Beratern. Der Film könnte dabei helfen. Drehbuchautor Pfannenschmidt hat sich übrigens tatsächlich beraten lassen. Der Leitende Arzt der Abteilung für Neurologie und Psychiatrie am Hamburger Bundeswehrkrankenhaus Karl-Heinz Biesold hat die Recherchen für „Willkommen zuhause“ unterstützt. Ein Ergebnis: Rund 700 Soldaten mussten von 1996 bis 2006 nach Auslandseinsätzen wegen posttraumatischer Belastungen behandelt werden.

„Willkommen zuhause“, 20 Uhr 15, ARD

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false