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Triumph der Didaktik: „Die Zeit der Stille“

Das KZ-Drama ist mehr eine Geschichtslektion denn ein Film.

Von Susanna Nieder

Wie soll man von der Hölle erzählen? Manuel, ein junger spanischer Intellektueller, hat das Konzentrationslager Buchenwald überlebt. Schon vor der Rückkehr ins französische Exil – Spanien wird noch jahrzehntelang vom Diktator Franco regiert werden – fragt er sich, ob er über das, was er erlebt hat, jemals berichten kann. Der deutsch-französische Fernsehfilm „Die Zeit der Stille“ versucht, die Sprachlosigkeit des Überlebenden zu zeigen. Manuel (Loïc Corbery) trifft in Paris die Französin Laurence (sonderbare Besetzung: das Topmodel Audrey Marnay), deren Verlobter kurz vor Kriegsende gefallen ist. Die beiden finden nicht zueinander, weil sie in der Vergangenheit gefangen sind. Das wäre Stoff für dramatische Entwicklungen, doch die Darsteller stehen ungelenk voreinander, sagen Text auf und machen leidende Gesichter.

Die didaktische Absicht dominiert den Film. Ein Schauspieler in gestreiftem KZ-Pyjama erklärt den Selektionsprozess in Auschwitz, als zitiere er aus dem Geschichtsbuch für die Mittelstufe. Kein Entsetzen wie in „Sophies Entscheidung“, wenn der Zuschauer, der lange mit der Protagonistin gelitten hat, erfährt, wie sie an der Rampe gezwungen wurde, sich für eins ihrer Kinder zu entscheiden und das andere ins Gas zu schicken.

Es gäbe genügend furchtbare Details, mit denen man Grauen, Verstehen, Mitgefühl hervorrufen könnte. Jorge Semprún, der mit dem Regisseur Franck Appréderis das Drehbuch geschrieben hat, kennt sie alle. Semprún hat mit 21 Jahren die Befreiung von Buchenwald erlebt. Der spanische Schriftstellers hat in seinem Leben viele kluge Bücher und auch einige Drehbücher geschrieben, 1966 bekam er für die Vorlage zu „Der Krieg ist vorbei“ (Regie: Alain Resnais) sogar eine Oscar-Nominierung. Man kann sich kaum erklären, warum er und Appréderis, dessen Vater in Auschwitz ermordet wurde, ausgerechnet über dieses Thema einen so hölzernen Film gemacht haben. Susanna Nieder

„Die Zeit der Stille“, ARD, 23 Uhr 35

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