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Türkei: Schlag gegen Pressefreiheit?

Türkei: Machtkampf zwischen Premier und Medienzar.

Aydin Dogan ist einer der mächtigsten Männer der Türkei. Zum Firmenimperium des 72-Jährigen gehören zahlreiche Zeitungen und Fernsehsender, darunter „Hürriyet“ und CNN-Türk, aber auch Tankstellen, Versicherungen, Feriensiedlungen und ein Bio-Agrarbetrieb. Laut „Forbes“ beläuft sich Dogans Vermögen auf etwa zwei Milliarden Dollar. Doch geht es nach den türkischen Steuerbehörden, wird Dogan einiges davon einbüßen.

Der Fiskus verlangt von dem Medienzar fast eine halbe Milliarde Euro an Bußgeldern wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit einem Deal mit dem Springer-Konzern. Ende 2006 verkaufte Dogan 25 Prozent der Anteile an seiner Fernsehsparte für 375 Millionen Euro an Springer. Als sein TV-Deal mit Springer Anfang 2007 wirksam wurde, zahlte Dogan rund 15 Millionen Euro Steuern dafür. Die türkischen Steuerbehörden argumentieren aber, Dogan habe die 2006 beschlossene Transaktion verschleppt, um Steuern zu hinterziehen.

Mit großen Schlagzeilen in den Dogan-Medien und ganzseitigen Anzeigen in anderen Zeitungen protestierte der Konzern gegen das „gewissenlose und illegale“ Bußgeld. Das Unternehmen werde sich mit allen juristischen Mitteln wehren und die „wahren Absichten“ hinter der Strafe publik machen. Die Rekordhöhe des Bußgelds und der Zeitpunkt, an dem es bekannt wurde, machen aus dem neuen Steuerstreit eine hoch politische Angelegenheit. Im derzeitigen Wahlkampf vor den Kommunalwahlen am 29. März zieht Dogans Intimfeind, Premier Recep Tayyip Erdogan, mit scharfer Kritik an dem Medienunternehmer über die Dörfer. Erdogan forderte seine Anhänger mehrmals öffentlich auf, Dogan-Medien zu boykottieren. Dabei waren Erdogan und Dogan lange Zeit recht freundlich zueinander. Das änderte sich, als Dogans Medien im Streit um die Präsidentschaftskandidatur des Erdogan-Freundes Abdullah Gül vor zwei Jahren gegen den Premier Partei ergriffen. Dann schossen Dogans Zeitungen aus allen Rohren gegen Versuche von Erdogan, das Kopftuchverbot an türkischen Universitäten aufzuheben. Der endgültige Bruch kam im vergangenen Herbst. Als Dogan-Medien berichteten, Erdogans Regierungspartei AKP sei in einen Skandal um unterschlagene Spendengelder in Deutschland verwickelt, watschte Erdogan den Medienzaren öffentlich ab: Dogan fahre mit seinen Medien eine regierungsfeindliche Kampagne, weil die Regierung es ablehne, dem Unternehmer ein fragwürdiges Bauprojekt in Istanbul zu gestatten.

Zwar legt Erdogan den Finger in eine Wunde, wenn er auf potenzielle Interessenskonflikte des Unternehmers Dogan hinweist. Angesichts dieser Vermischungen ist Dogan in der Rolle des selbstlosen Verteidigers der Pressefreiheit nicht sehr glaubwürdig.

Erdogan wiederum neigt dazu, jede Art von Kritik durch die Medien als Majestätsbeleidigung aufzufassen. Mehrmals ist Erdogan bereits gegen Karikaturisten vor Gericht gezogen. „Die Regierung will Medien schaffen, die sich von ihrer Aufgabe der Kontrolle und Kritik verabschieden,“ kommentierte „Vatan“, eine regierungskritische Zeitung, die nicht zu Dogans Imperium gehört. „Vatan“ erinnerte Erdogan daran, welcher Staatsbürger der Top-Steuerzahler im Land ist: Aydin Dogan. Thomas Seibert, Istanbul

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