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„Es gibt zu viele Frauen, die sich immer schuldig fühlen.“ Die Computer-Hackerin Lisbeth (Noomi Rapace) steht im Mittelpunkt der „Millenium“-Trilogie von Stieg Larsson.

© dpa

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Noomi Rapace verkörpert einen starken Frauentypus. Nun soll die schwedische Schauspielerin als Nachfolgerin von Sigourney Weaver Aliens jagen.

„Ich sehe keinen Wert in romantischen Komödien“, sagt Noomi Rapace und schaut ihr Gegenüber aus dunklen, wissenden Augen an. Es ist Lisbeth Salanders prüfender und dennoch sehnsuchtsvoller Blick, der die Verfilmung von Stieg Larssons Romantrilogie „Millennium“ auf seine Weise grundiert. Am Sonntagabend wird im ZDF „Verdammnis“, der zweite Teil dieser Trilogie, ausgestrahlt. Wenn die Augen das Licht des Leibes sind, wie es in der Bibel heißt, dann haben dieser im Film 24-jährige Leib und die dazugehörige Seele schon allerhand durchgemacht, zum Beispiel die sadistische Vergewaltigung durch einen Vormund. „Ich verabscheue Gewalt, wenn sie nur als Unterhaltung funktioniert“, erklärte Noomi Rapace in einem Interview: „Sie muss glaubwürdig sein und im Kontext stehen, eine Gewaltszene muss realistisch sein. Sonst hätte ich den Part nicht angenommen.“

Ein halbes Jahr lang trainierte Rapace Thai- und Kickboxen für ihre Darstellung einer der ungewöhnlichsten Detektivinnen der Neuzeit. Außerdem scheint sie sich ähnlich wie Clint Eastwood in seiner Paraderolle als Dirty Harry jeden Anflug von Lächeln abgewöhnt zu haben, wodurch auch Lisbeth Salanders Nasenringe besser zur Geltung kommen. Auf ihrem schmalen Rücken windet sich ein Drachen-Tattoo, das die Kamera von Eric Kress und Peter Mokrosinski als besonderes amphibisches Highlight aufblitzen lässt. Ihrem Peiniger hat sie das Schuldbekenntnis gleich selbst auf den Bauch tätowiert. Einen anderen Vergewaltiger und Mörder lässt sie im Auto verbrennen. Einen dritten Gegner schießt sie in den Fuß, schnappt sich sein Motorrad und genießt den Fahrtwind.

Lisbeth, die ihre Jugend wegen Verhaltensauffälligkeiten in der Psychiatrie verbringen musste, nimmt ihr Leben konsequent in die Hand. Das hat ihrer Darstellerin Noomi Rapace nachhaltig imponiert: „Ich mochte Lisbeth und mag sie immer noch, auch weil sie nie in die Opferrolle schlüpft und sich auch nicht ständig Schuldgefühlen hingibt und fragt, was sie falsch gemacht habe. Es gibt zu viele Frauen, die sich immer schuldig fühlen.“

Die 31-jährige Noomi Rapace erlebte mit der Kino-Fernsehproduktion „Millennium“ 2009 ihren internationalen Durchbruch. Die Schauspielerin hat ein Faible für düstere, komödienferne Rollen. Demnächst wird sie an der Seite von Mads Mikkelsen in dem Drama „The Nazi Officer’s Wife“ zu sehen sein. Und sie ist in Hollywood als Nachfolgerin der „Alien“-Jägerin Sigourney Weaver im Gespräch, als Verkörperung dieses androgynen Frauentyps in Ridley Scotts unendlicher Weltraum-Saga.

„Oiseau rapace“ heißt auf Französisch Raubvogel. Die Tochter einer schwedischen Schauspielerin und eines spanischen Flamenco-Sängers wählte diesen Künstlernamen gemeinsam mit ihrem Mann Oda Rapace (der ist als Polizist in den Wallander-Krimis zu sehen) anlässlich ihrer Hochzeit. Ihr Sohn ist mittlerweile sechs Jahre alt.

Immer wieder durchlebt Lisbeth Salander einen Alptraum, in dem sie sich als kleines Mädchen sieht, das mit einer Streichholzschachtel zündelt. In der Fortsetzung des Traums läuft sie mit der Streichholzschachtel einem Mann hinterher, der in ein Auto steigt. Er kurbelt das Fenster herunter, sie übergießt ihn mit einer Flüssigkeit und entzündet ein Streichholz. An diesem Punkt wacht sie in Panik auf. Traum oder Wirklichkeit? Auf jeden Fall fristet Lisbeths Mutter Agneta ihre Tage in einem Pflegeheim und erkennt ihre Tochter nur mit Mühe. „Verlieben sollte man sich nicht“, sagt ihr Lisbeth: „Das weißt du besser als alle anderen.“

Und doch wäre es ihr am Schluss von „Verblendung“, dem ersten Teil der „Millenium“-Trilogie, fast selbst passiert. Als der Patriarch Henrik Vanger seine seit mehr verschollene Lieblingsnichte Harriet wieder in die Arme schließen konnte, da war offenbar auch das Ende für das Ermittler- und Liebespaar Lisbeth und Mikael Blomkvist (Michael Nyqvist) gekommen. So wie Lisbeth eines Nachts wortlos in Mikaels Bett geklettert war, so brüsk ließ ihn die zierliche Frau im schwarzen Lederlook im Besuchsraum des Stockholmer Gefängnisses stehen. Dort hatte Schwedens bekanntester investigativer Journalist – ein alter Ego Stieg Larssons - eine Haftstrafe wegen Verleumdung abzusitzen. Seit seiner Entlassung sehnt sich Blomkvist nach der geheimnisvollen Lisbeth.

Das ehemalige Punk-Girl genießt inzwischen das Strandleben auf den Cayman-Inseln in der Karibik, hat den asymmetrischen Kurzhaarschnitt herauswachsen lassen und scheint ihren Freund vergessen zu haben. Doch sie kehrt zurück, mal im Punk-Outfit, mal mit sehr blonder Lockenperücke, mal im Kapuzenshirt mit Schirmmütze, um sich vor neuen Feinden zu tarnen. Was Lisbeth nicht ahnt: Der russische Mädchenhändlerring, gegen den sie und der „Millennium“-Journalist zunächst unabhängig voneinander kämpfen, hat mit ihrer Familie zu tun.

Mit jedem ihrer Auftritte verleiht Noomi Rapace der Kino- und der sechsteiligen Fernsehfassung von „Millennium“ einen Spannungs-Kick. Ihre außergewöhnliche Gestaltung dieser vermeintlich gefühlskalten, stets verteidigungsbereiten Frau, die auf niemanden angewiesen ist, macht den Unterschied zur Romanvorlage aus – selbst wenn ständig Apple-Computer ins Bild gerückt werden. In „Verdammnis“ wird Lisbeth von der Boulevardpresse verdächtigt, Anführerin einer lesbischen Satanistinnen-Bande zu sein. Ähnlich wie Jane Fonda als Science-Fiction-Ikone „Barbarella“ (1968) nimmt sich auch die geistesverwandte Schwedin die Freiheit, Männer wie Frauen zu lieben. Der arme Blomkvist muss einiges durchmachen.

„Stieg Larsson: Verdammnis“, erster Teil, ZDF, 22 Uhr; Teil Zwei am 13.2.

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