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Verhördroge. Die militärische Verwendbarkeit von LSD als Psychokampfstoff beschäftigte über viele Jahre Militärchemiker in West und Ost. Foto: Arte

© Archiv NARA

TV-Doku: Die Dämonen

Eine Dokumentation über tödliche Experimente am Menschen in staatlichem Auftrag.

„Mengeles Erben“, eine Dokumentation von Dirk Pohlmann, ist ein schrecklicher Film. Er berichtet vom Horror, den sich Menschen im Dienste von Militär und Medizin zufügen, und er zeigt Bilder, die Schrecken verbreiten: Aufnahmen von Opfern, denen gezielt Gifte und tödliche Bakterien, Viren und Psychopharmaka verabreicht oder die nuklearer Strahlung ausgesetzt wurden.

Die These von Pohlmanns Film lautet: Josef Mengele, einst Arzt in Auschwitz, sei nicht der Erste und der Einzige, der Gefangene als Versuchsobjekte für Experimente mit letalem Ausgang verwendete. Und der NS-Staat sei nicht der einzige gewesen, der von verbrecherischer Medizin profitieren wollte. Andere Ärzte und Biochemiker arbeiteten noch Jahrzehnte nach 1945 für Japan und für Nordkorea, für die USA und für die Staaten des Ostblocks. In der Wüste von Nevada beispielsweise sei es eine Mischung aus Naivität und Rücksichtslosigkeit gewesen, wenn mit Menschen in Nukleartestgebieten experimentiert worden war. In der UdSSR dagegen verfuhr man, wie es im Kommentar des Films heißt, „ähnlich, nur noch rücksichtsloser“.

Das ist die Rhetorik des Kalten Krieges. Sie speist sich nicht selten aus Überläuferwissen, oder auch: aus Überläuferpropaganda. Vor kurzem erst hatte ein Themenabend auf Arte vorgeführt, wie Spione und Überläufer angeblich Welten gerettet hätten. So salvatorisch, so heilsbringend geht es in „Mengeles Erben“ glücklicherweise nicht ab. Aber ein Großteil der Informationen, um die herum Pohlmann seine Interviews und Archivausschnitte gruppiert, gehen auf einen einzigen Mann zurück, der selbst einmal in politisch brisanter Situation die Fronten wechselte. Der tschechoslowakische Generalmajor Jan Sejna, bis 1968 Leiter des Parteiausschusses im Verteidigungsministerium, hatte sich zu Beginn des Prager Frühlings in den Westen abgesetzt und war für einige Jahre – als bis dato ranghöchster Ostblockflüchtling – dem CIA zu Diensten gewesen. Seine Mitteilungen über US-amerikanische Kriegsgefangene allerdings, an denen Russen und Tschechoslowaken mit medizinischer und pharmakologischer Unterstützung die grausamsten Verhörtechniken erprobt gehabt hätten, wurden weitestgehend unterdrückt – ob mangels Nachprüfbarkeit oder aus strategischem und diplomatischen Interesse, das musste bislang offenbleiben.

Die Interviewpartner in dieser Dokumentation werden nicht immer überzeugend inszeniert. Eine tschechische Journalistin erzählt vor dämonisch ausgeleuchtetem Hintergrund, und ein ehemaliger Sicherheitsberater der US-Regierung, der über seine Zusammenarbeit mit Sejna berichtet, gibt sein Wissen im Ohrensessel kund. Hinzu kommen Archivaufnahmen von medizinischen Experimenten aus diversen, nicht selten ungenannten Quellen. Diese erscheinen auch einmontiert, um schockierende Effekte zu erzielen.

„Mengeles Erben“, Mittwoch, Arte, um 20 Uhr 15 12. MAI 2010

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