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TV-Konzern: "Wie eine Beerdigung"

Auf der Betriebsversammlung von ProSiebenSat1 herrschte miese Stimmung. Die jüngsten Umstrukturierungen hatten die Mitarbeiter verärgert.

Der 30. August 1999 war ein wichtiger Tag für Sat 1. In Berlins bester Lage am Gendarmenmarkt wurde das modernste Medienzentrum Europas eingeweiht. Rund 800 neue Jobs habe man damit geschaffen, sagte damals Senderchef Fred Kogel. Acht Jahre später ist von der Euphorie nichts mehr zu spüren. Auf der Betriebsversammlung von ProSiebenSat1 Berlin war die Stimmung am Freitag auf dem Tiefpunkt. Im Festsaal des Konzerthauses am Gendarmenmarkt drängten sich mehrere Hundert Mitarbeiter. Die Redaktionen der abgesetzten Magazine "Sat1 am Mittag" und "Sat1 am Abend" sollen fast geschlossen anwesend gewesen sein, so ein Teilnehmer. "Ich komme mir vor, wie bei einer Beerdigung", beschrieb jemand die Atmosphäre.

Zu Beginn der Veranstaltung gab es großen Unmut, dass sich kein Vertreter des Konzernvorstands blicken ließ. Dafür anwesend: Geschäftsführer Matthias Alberti (Sat1), Torsten Rossmann (N24) und Frank Meißner (ProSiebenSat1 Produktion, PSP). Auf die Frage, warum zwei renditestarke Formate abgesetzt würden und gleichzeitig die Tour de France eingekauft worden sei, habe Sat1-Chef Alberti geantwortet: "Die Tour hat uns fast nichts gekostet." Sendersprecherin Kristina Faßler bestätigte auf Anfrage, "dass die Tour sehr günstig gewesen ist". Und günstig soll es bei ProsiebenSat1wohl auch in Zukunft weitergehen. So sollen Alberti zufolge die noch in Berlin bestehenden Redaktionen vom "Frühstücksfernsehen" und "Blitz" zusammengelegt werden. Sendersprecherin Faßler gab zu, "dass es diese Überlegung gibt". Offen ist wohl, ob "Blitz" den Namen behalten wird.

Auch Produktionsmitarbeiter bangen um Jobs

Aber nicht nur die Redakteure bangen um ihre Zukunft. Wie auf der Betriebsversammlung erörtert worden sein soll, ist der Verkauf der konzerneigenen Produktionstochter PSP geplant. Ein Mitarbeiter, der als Toningenieur für "Sat1 am Mittag" gearbeitet hatte, klagte am Rande der Veranstaltung. "Jetzt sind wir bei PSP einfach zu viele." Die Situation der Produktionsmitarbeiter ist ohnehin nicht einfach. Viele von ihnen sind nicht direkt bei der PSP angestellt, sondern Leiharbeiter, die nach Bedarf für Schichten gebucht werden. Da sie keine direkten Verträge haben, werden sie nach den Worten eines Betroffenen "die Ersten sein, die dran glauben müssen". Auch die Positionen der Festangestellten wackeln. Künftig sollen Aufgaben, die bislang von mehreren Mitarbeitern übernommen wurden, auf eine Person gebündelt werden. Teilweise wird schon in diese Richtung gearbeitet. Bei den weggefallenen Sat1-Magazinen waren schon "VJs" im Einsatz, Reporter, die selbst die Kamera bedienen.

Martin Dieckmann von der Gewerkschaft Verdi nennt die Art und Weise der Absetzung von "Sat1 am Mittag" und "Sat1 am Abend" "unanständig". Besonders stört ihn die "abgründige Informationspolitik" des Senders, der seine Entscheidung nicht einmal den Arbeitnehmervertretern mitgeteilt hatte. Die mussten es aus der Presse erfahren.

Dieses Thema sorgte auch auf der Betriebsversammlung für Ärger. Ein ehemaliger Mitarbeiter von "Sat1 am Mittag" warf die Frage auf, woher die Medien denn alle ihre Kenntnisse gehabt hätten. "Da es von uns niemand wusste, muss wohl jemand aus dem Vorstand gesungen haben", sagte er. Sat1-Chef Alberti soll sein Bedauern zu der Informationspanne geäußert haben. Positiv wurde am Freitag nur sein Bekenntnis zum Standort Berlin aufgenommen. Und selbst bei dieser Aussage blieb die Skepsis. Ein Betriebsratsmitglied erinnerte an den Ulbricht-Satz: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen." 

Pablo Silalahi

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