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© BR/Bildarchiv

TV-Krimi: Und Wehmut liegt über allem

Der Münchner „Polizeiruf 110 – Endspiel“ nimmt Abschied vom Kommissarenduo Tauber und Obermaier.

„Der kommt net“, sagt Kriminalhauptkommissarin Jo Obermaier (Michaela May) zu ihrem Mann Tarek (Tayfun Bademsoy). Beide warten, der Baum ist geschmückt, die Gans fertig. Es ist die letzte Szene im letzten „Polizeiruf 110“ aus München, in dem das etablierte Ermittlerduo Obermaier und Tauber auftritt. „Der kommt nimma“ sagt Obermaier noch mal. Dann zeigt die Kamera von Johann Feindt verschiedene Straßen und Plätze Münchens an diesem Heiligen Abend, mit ihren Tannenbäumen und Lichterketten. Es sind leere Straßen und Plätze, über denen eine Stimmung der Einsamkeit herrscht. Und irgendwo dort läuft er vielleicht herum, der einarmige Tauber (Edgar Selge), mit dem Obermaier neun Jahre lang ein Team bildete.

Dieser Tauber war nicht von dieser Welt. Wo auch immer er auftauchte, in seinem eigenwilligen Gang, einer Mischung aus Verzagtheit und Entschlossenheit, irgendwie war er nie wirklich da. Dieser Tauber, grandios und kongenial von Edgar Selge interpretiert, er ist dieser Welt abhanden gekommen. Den Halt, den hat ihm oftmals überhaupt nur die bayerisch-patente, pragmatisch-bodenständige Obermaier gegeben, die trotz vieler Streits und Auseinandersetzungen immer für ihn da war. Der Tauber und die Obermaier, das war wie Yin und Yang, wie Feuer und Wasser, wie Kopf und Bauch. Er war der Intellektuelle, der Abgehobene, der irgendwie Schwebende. Sie war die Intuitive, die Geerdete, die Normalere. Und bei alledem ein wunderbares Fernseh-Gespann. Tauber: „Wollen Sie noch was Schlaues sagen, Frau Obermaier?“ – Obermaier: „Mich friert´s.“

Diese beiden Figuren, und mit ihnen durchaus ein Abschnitt jüngerer bundesrepublikanischer Fernsehgeschichte, treten nun ab. „Endspiel“, von Andreas Kleinert nach dem Drehbuch von Alexander Adolph inszeniert, ist der düstere Schlussstein. Ein ambivalenter Film über einen jungen präpotenten Kollegen, Matthias Kurtz (Wanja Mues), aus einem anderen Dezernat, Drogenfahndung, der Tauber für seine Zwecke benutzt. Dabei stören Nebenfiguren wie die neue Vorgesetzte, die allzu joviale Irmi Wiedemann (Adele Neuhauser), leider sehr.

Nach 17 Filmen in neun Jahren – die Erstausstrahlung des ersten Tauber-Obermaier-„Polizeirufs“ mit dem Titel „Gelobtes Land“ war am 14. Januar 2001 – ist es nun also vorbei. Vor allem Edgar Selge wollte nicht mehr, fand, dass alle Facetten des Tauber und des Duos erzählt seien. Aufhören, wenn es am schönsten ist, wenn der Zuschauer noch gerne einschaltet, wenn noch nichts ermüdet ist, man sich nicht wiederholt. Viel erzählt wurde in den 17 Münchner Fernsehfilmen auch über sozial-gesellschaftliche Missstände in unserem Land - das reicht von organisierter Kriminalität über Mobbing bei der Polizei („Um Kopf und Kragen“,. 2002), den Wahn an Schönheits-OPs bis hin zu Familienmord und Kindestötung („Jenseits“, 2007).

Der „Polizeiruf“ mit Tauber und Obermaier, das war immer auch der subtile, behutsame und präzise Blick auf das Dahinter bei den Menschen. Es darf durchaus so gesagt werden: Auf die Abgründe der menschlichen Seele. Vollkommen unprätentiös.

Diese Einmaligkeit wurde verschiedene Male mit Preisen bedacht: Fälle wie etwa jener von Dominik Graf inszenierte, „Der scharlachrote Engel“, am 20. Februar 2005 erstausgestrahlt, wurden mit dem Deutschen Fernsehpreis und dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. Für seine Darstellung in „Er sollte tot“ (6. August 2006), ebenfalls von Dominik Graf in Szene gesetzt, und in „Mit anderen Augen“ (Regie: Buddy Giovinazzo; 22. Oktober 2006) erhielt Edgar Selge denn auch die Goldene Kamera.

Der Tauber, „der kommt nimma“. Die Obermaier ahnt es. Der Zuschauer weiß es. Es ist ein ganz stiller Abschied. Was bleibt, ist ein Hauch von Wehmut.

„Polizeiruf 110 – Endspiel“, ARD,

20 Uhr 15

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