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Talkgastgeberin Anne Will

© dpa

TV-Kritik "Anne Will" zu Syrien: Keine Lösung, aber Denkanstöße

Ob Aleppo verloren sei, wollte Anne Will von ihren Gästen wissen. Darüber gab es erwartungsgemäß Streit - aber auch Anregung zum Nachdenken.

Über Syrien gibt es nicht nur eine Wahrheit. Das hat man auch schon vor Anne Wills Sendung am Sonntagabend gewusst, wenn man nicht, wie eine Schallplatte, immer nur wiedergeben wollte, was einem in die Gedächtnisrillen eingeprägt worden war.

Aber nach einer Stunde TV-Talk bei Anne Will unter dem Leitmotiv „Friedensgespräche abgebrochen – Ist Aleppo verloren?“ war jedem Zuschauer deutlicher als zuvor klar, dass die Wahrheiten nicht von einer der Konfliktparteien alleine vertreten werden. Dazu waren die Frontstellungen zwischen Wills Gästen auch zu überraschend, als da wären: Wladimir Grinin, Russlands Botschafter in Deutschland; John Kornblum, der frühere US-Botschafter in der Bundesrepublik; Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Bundestagsausschusses;  Katharina Ebel, Nothilfe-Koordinatorin bei SOS-Kinderdörfer, und Harald Kujat, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzender das Nato-Militärausschusses.

Dass Grinin den USA den Abbruch der Friedensgespräche und die Unterstützung der terroristischen Al-Nusra-Front vorwarf, war zu erwarten. Dass Kornblum seinem russischen Kollegen daraufhin „nur begrenzte Beziehungen zur Wahrheit“ unterstellte, kam als wenig überraschender Konter. Immerhin versicherten sich beide, Kornblum vor allem, der gegenseitigen Hochachtung. 

Ganz und gar nicht zu erwarten war hingegen, dass sich Kujat und Röttgen heftig über die Frage in die Wolle kamen, wer eigentlich schuld an der Zuspitzung des Kampfes um Aleppo in den letzten Wochen sei. Während der CDU-Bundestagsabgeordnete Russen und Syrern die Bombardierung eines UN-Hilfskonvois vorwarf, bestritt nicht etwa Grinin, sondern der deutsche Ex-General Kujat, dass die Beweislage so klar sei und forderte eine sorgfältige Untersuchung.

Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Kujat, nicht frei von Überheblichkeit,  Röttgen irgendwo nicht ernst nahm. Nachdenklichkeit löste er auf jeden Fall mit seinem Vorschlag aus, Aleppo nach der Haager Landkriegsordnung zur offenen Stadt zu erklären, mit der Folge, dass die Stadt weder verteidigt noch angegriffen werden dürfte.

Wer das in Beziehung zu der Aussage Katharina Ebels setzte, dass in Aleppo zwischen 800 und 1400 Kämpfer mehr als 250.000 Zivilisten als Geisel festhielten, kam nicht umhin, sich die Frage zu stellen, ob hier nicht ein Ansatz für die Diplomatie sein könne.

Was noch überraschte? Wie klar der US-Demokrat John Kornblum auf Distanz zu seinem ebenfalls demokratischen Präsidenten Barack Obama ging, der ja den Einsatz chemischer Waffen durch den syrischen Präsidenten Assad als das Überschreiten einer roten Linie markierte, ohne einzugreifen, als Assad Giftgas gegen Zivilisten nutzte.

Insgesamt eine Sendung, durchaus voller Leidenschaft, die aber eben auch sehr nachdenklich stimmte, wenn man sich nicht mit festgefügten und unverrückbaren Ansichten zu diesem Thema vor den Bildschirm gesetzt hatte.

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