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Johannes B. Kerner eröffnete den Reigen der Jahresrückblicke.

© dpa

TV-Kritik: Fußball, Boulevard und die dümmste Frage des Jahres

Johannes B. Kerner blickte zurück auf das Jahr 2010. "Ein Jahr der Emotionen", wie es hieß. Davon war am Donnerstagabend allerdings wenig zu spüren. Der ignorante Umgang Kerners mit seinen Gästen war schwer erträglich.

Zugegeben, die Idee war nicht doof. Nachdem der Sat.1-Jahresrückblick mit Johannes B. Kerner im vergangenen Jahr quotentechnisch klar gegen die Konkurrenz von ZDF und RTL verloren hatte, wollte man diesmal auf Nummer sicher gehen. Wichtigste Aufgabe am Donnerstagabend war es deshalb, all die Zuschauer des vorangegangenen Borussia-Spiels, die nicht schnell genug den Ausschaltknopf fanden, in die anschließende Show zu überführen - und dort auch zu halten. Abpfiff in Dortmund, Anpfiff in Kiel, Auftritt Kerner: "Guten Abend, Danke, Fußball-WM!" Für die Überleitung von der Uefa-Europa-League nach Südafrika brauchte JBK keine zwanzig Sekunden. Das war schon eine Glanztat.

Es blieb die einzige des Abends. Ein "Jahr der Emotionen" soll es gewesen sein - das Jahr 2010, das zwar noch nicht rum ist, auf das Sat.1 aber schon mal einen Rückblick wagte, bevor am Sonntag Günther Jauch bei RTL und eine Woche später Thomas Gottschalk für das ZDF nachziehen. "Emotionen" hieß für Kerner aber vor allem Boulevard. BP vergiftet den Ozean, Griechenland reißt um ein Haar Europa in den Abgrund, Thilo Sarrazin zündelt, die katholische Kirche wird von einem Missbrauchsskandal sondergleichen erschüttert: all diese großen Themen waren dem Sender jeweils nur eine Randnotiz wert. Stattdessen gab es Werbung für eine Spielkonsole, auf der Arne Friedrich gegen Marcell Jansen im Fußball antrat (O-Ton Kerner: "tolles Gerät"), und für eine neue Eigenproduktion mit Veronica Ferres. Davor hatte sich einer der 33 verschütteten chilenischen Bergleute von seinem Namensvetter Mario Gomez irren Zahlenhokuspokus anhören müssen. Der Fußballer vertrat die Theorie, dass das mit der Rettung ausgemachte Sache war, weil die Nummer 33 ja schließlich auch auf seinem Trikot prangt. Schon klar.

Am Ende waren es aber gar nicht die schräge Schwerpunktsetzung und die übermäßige Anbiederung an die Freunde des Ballsports, die die Sendung so schwer erträglich machten, sondern der ignorante Umgang Kerners mit seinen Gästen. Dass Boris und Lilly Becker nur da waren, um als bekennende Pokerspieler die Stichwortgeber für den Berliner Casinoüberfall zu geben: geschenkt. Geradezu empörend aber war der Umgang des Moderators mit den Hinterbliebenen und Traumatisierten der diesjährigen Loveparade, bei der 21 Menschen den Tod fanden. Die Art, wie Kerner erst Beileidsbekundungen aufsagte, um dann, ohne Luft zu holen, den Gesprächspartner zu wechseln, war mehr als nur taktlos. Zum Ausgleich lieferte er im Interview mit dem sichtlich erschütterten Loveparade-Veranstalter Rainer Schaller wenigstens selbst noch ein Highlight der besonderen Art: Die Frage "Werden Sie den Kontakt halten, oder war das jetzt nur fürs Fernsehen?" zählt unangefochten zu den dümmsten des Jahres.

Irgendwann kamen noch Joachim Gauck, die Fantastischen Vier und der Junge, der einen Sturz aus zwanzig Metern Höhe überlebt hatte. Aufwachen tat man aber erst wieder, als gefühlte 40 Mal das Video gezeigt wurde, in dem ein Stier dem Torero Julio Aparicio ein Horn durch den Kiefer jagt. Als dann nach mehr als zweieinhalb Stunden Loki Schmidt starb, war endlich Schluss. Danach gab es wieder Fußball.

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