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TV-Kritik: Lebbe geht weider

Andrea Ypsilanti schüttet in der TV-Sendung von Reinhold Beckmann ihr Herz aus.

Andrea Ypsilanti bei „Beckmann“. Montagabend, ARD. „Sie sind fast eine historische Schlüsselfigur, jetzt“, stellt Reinhold Beckmann fest, da biegt er mit seiner Gesprächspartnerin bereits resümierend auf die Zielgerade ein – und Andrea Ypsilanti, die Frau, die sich als künftige hessische Ministerpräsidentin sieht, so klar, wie wahrscheinlich sonst noch niemand im ganzen Land, haucht: „Ja!“ „Wie wollen Sie damit umgehen?“, fragt Beckmann noch – und Andrea Ypsilanti, die Frau, die längst noch nicht hessische Ministerpräsidentin ist, sagt: „Sehr, sehr verantwortungsvoll.“ Wer einen Begriff davon erhalten wollte, wie man Autosuggestion in der Politik passabel in Worthülsen packt, der bekam am Montagabend einen Crashkurs. Noch selten hat vor laufender Kamera jemand derart zielstrebig den direkten Weg zum Tor gesucht, wie die ambitionierte Hessin, dabei auf den vermeintlich noch offenen inneren Dialog verweisend, weil das die Regeln der politischen Kultur schließlich verlangen. „Es gibt Dinge, die muss man mit sich selbst abmachen.“ Wohl wahr. Sonst klappt das mit der historischen Schlüsselfigur am Ende doch nicht.

Andrea Ypsilanti will. Im kleinen Kreis hat sie das bekräftigt, des Öfteren schon. Sie hält nichts von Roland Koch, nichts von der CDU und von der FDP hält sie mittlerweile auch nichts mehr. „Da gibt es auch eine Grenze von Selbstwertgefühl“, sagt Ypsilanti und meint, dass der Avancen nun aber genug gemacht worden seien. Ypsilanti hält auch nichts von der Linken, eigentlich, aber die haben Unterstützung signalisiert, weshalb in diesem Fall die „Grenze von Selbstwertgefühl“, nun, deutlich elastischer ist.

Kein Wortbruch, nirgends, wie Beckmann fragt? Er hat einen guten Tag. Fast therapeutisch legt er die tieferen Bewusstseinsschichten der Sozialdemokratin frei. Nein, kein Wortbruch, sagt Ypsilanti, letztlich eher eine Frage der Abwägung. Vor der Wahl habe sie ja schließlich versprochen, die Bildungspolitik zu ändern, die Studiengebühren abzuschaffen. Ypsilantis Logik: Wenn sie das nun nicht tue, obwohl sie die Möglichkeit dazu haben könnte, sei das dann nicht auch Wortbruch? Beckmann schaut freundlich an dieser Stelle und haut sich nicht krachend auf die Schenkel. Er hat einen guten Tag.

Und wenn’s schiefgeht, am 5. April, wenn der hessische Landtag den neuen Ministerpräsidenten wählt? „Ich lebe weiter“, sagt Ypsilanti; in korrektem Hessisch hätte es heißen müssen: „Lebbe geht weider“. Das hoffen wir alle. Vbn

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