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Anne Will.

© dpa

TV-Kritik: Lustlose Runde bei Anne Will

Muss Europa zur Festung werden? Die Flüchtlingsproblematik war am Sonntagabend das Thema beim Talk von Anne Will - doch die Gäste hatten wenig dazu zu sagen. Der Langeweile konnte auch Thilo Sarrazin nichts entgegensetzen.

Er war lange weg, irgendwie, zumindest gemessen an der Häufigkeit mit der Thilo Sarrazin von August bis Ende vergangenen Jahres die mediale Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hat. Aber dann, irgendwann, war Schluss mit ihm und Schluss mit seinem Buch "Deutschland schafft sich ab", und es war Schluss mit dieser Debatte, die dann so dringend auch nicht gewesen sein kann. Es kam auch deshalb zu einem Ende, weil andere Dinge wichtiger wurden: die Revolutionen und Umsturzversuche in Teilen der arabischen Welt, die Katastrophen Japans, die Atomdebatte in Deutschland, der Aufstieg und Fall und Wiederaufstieg der Grünen und, natürlich, der Niedergang des Hauses zu Guttenberg. In den Talkshows gab es, so könnte man es eigentlich auch sehen, kein Platz für Thilo Sarrazin.

Sonntagabend gab es dann wieder einen Platz. Für den Fernsehzuschauer aus gesehen rechts von Anne Will saß der Mann, der übrigens ähnlich wie Karl-Theodor zu Guttenberg uns Journalisten ein großes Rätsel aufgab: unsere Kritik, unsere Abneigung, unser besseres Wissen wurde uns von Lesern um die Ohren gehauen - warum eigentlich? Zumindest bei Sarrazin kann es am Charisma nicht liegen.

Das bewies auch der Talk von "Anne Will", dessen großes Problem vor allem darin bestand, dass von den fünf Gästen nur einer Lust hatte, sich über das Flüchtlingsthema und die Frage, ob Europa zur Festung werden muss, zu unterhalten oder gar zu streiten. Sarrazin hatte überhaupt keine Lust, müde referierte er Zahlen, die jeder Grundschüler bei Wikipedia nachlesen kann, nämlich dass in Afrika eine Milliarde Menschen leben. Und die wollen alle zu uns?

Wer genau im Moment zu uns will - und aus welchen Gründen - wurde während der Sendung nicht klar, die Gäste hatten auch anfangs genug damit zu tun, sich über Begrifflichkeiten zu verständigen: sind die Tunesier nun Wirtschaftsflüchtlinge? Sind sie gut ausgebildet oder schlecht? Und wer kam eigentlich auf die Idee, den Fußballer Gerald Asamoah einzuladen, der das Leben allgemein und seines besonders, wie ein Fußballspiel erklären wollte. Das war langweilig, sogar Sarrazin sagte zu Beginn der Sendung wenig, irgendwann kommt die Regie auf die Idee, mal die Hände des bayrischen Innenministers zu zeigen, aber das brachte die Sendung auch nicht voran. Selbst die Grüne Katrin Göring-Eckardt, die in Talkshows ansonsten durchweg eine gute Figur macht, konnte diesmal zum Erkenntnis- und Unterhaltungsgewinn nichts beitragen - auch sie schien mit dem Thema nicht allzu viel anfangen zu können, vielleicht wurde sie von der Redaktion auch reingelegt und zum Thema eingeladen "Joschka oder Jürgen - wer wird der grüne Kanzlerkandidat?"

Elias Bierdel hätte bestimmt auch zu dem Thema was zu sagen - so sehr freute er sich über diese Talkshoweinladung. Bierdel war mal Vorsitzender der Hilfsorganisation "Cap Anamur", wurde aber nicht wiedergewählt, weil er eine sehr umstrittene Flüchtlingsaktion leitete. Seitdem ist es still um den Mann, der aber um so lauter werden kann, wenn ihm was nicht passt. Als die Talkshow gegen Ende drohte, vollends einzuschlafen und Sarrazin recht ungelenk was erklären wollte, nannte Bierdel Sarrazin lautstark einen "Hetzer", was allerdings allen Gästen, einschließlich Sarrazin, ziemlich egal war.

Zu dem Zeitpunkt wollten wahrscheinlich bereits alle Beteiligten die Sache so schnell wie möglich zu Ende bringen. Und Sarrazin wird sich danach gedacht haben, das er aber auch schon in spannenderen Talkshows war. Früher.

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