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Immer undercover: Miriam Werning und Wolfram Kuhnigk

© RTL

TV-Kritik "Undercover Deutschland": Kinder-Kauf, Sekten-Willkür, Pädophilie: Schmutzige Themen in schmuddeliger Machart

RTL will vielleicht Gutes tun, will aufklären. Aber was bei "Undercover Deutschland" gesendet wird, das ist pure Vermarktungsstrategie

Privatfernsehen ist eigentlich leicht zu durchschauen. „Team Wallraff – Reporter undercover“ hat mit Versteckte-Kamera-Reportagen über ausgebeutete Putzkräfte in Luxushotels oder unappetitliche Zustände in einer Fast-Food-Kette gute Quoten. Und schon wittern erfolgssüchtige Redakteure Morgenluft. Undercover – die neue Erfolgsmasche mit Zuschauergarantie. Also keine Zeit verlieren und weitere Undercover-Produkte auf den TV-Markt werfen. Und damit auch der letzte Zuschauer kapiert, wo der Hase herkommt und wo er hinläuft, heißt die neue Reihe Undercover Deutschland“. Die beiden Reporter im Dienste von RTL – Miriam Werning und Wolfram Kuhnigk. Werning hat beim Boulevard-Schlachtschiff „Punkt 12“ schon höchst unterschiedliche Dinge vor der Kamera gemacht: die FdH-Diät ausprobiert oder eine unheilbar Krebskranke bei ihren letzten Unternehmungen begleitet. Wolfram Kuhnigk war bei der RTL-2-Reportage-Reihe „Investigativ“ mit Nackten, kriminellen Jugendlichen und gefährlichen Gangs beschäftigt. Eigentlich keine schlechten Voraussetzungen für eine einigermaßen gute Sendung. Aber leider wird auch diese neue Serie vom Quotendruck in Beugehaft genommen. Beide Reporter sind ein Jahr lang in so genannte Parallelwelten abgetaucht: Kinder-Kauf und Sekten-Willkür, SM-Schmuddelsex und Kindermissbrauch. Nichts, mit dem man gerne zu tun hätte. Aber für Journalisten das, was man in Bayern „A gmahde Wiesn“ nennt. Für Nicht-Bayern, etwas das nicht schief gehen kann, eine todsichere Sache halt.

Nur warum müssen die beiden Reporter in jedem dritten Satz mit bedeutungsschwangerem Tremolo ihre abgrundtiefe Abscheu über alles und jeden herausposaunen? Ihre Gesprächspartner sind verdorben und verkommen, das Verhalten ihrer Gesprächspartner schlecht und schändlich. Subjektive Fassungslosigkeit, in der richtigen Dosis, absolut okay. Aber hier wird sie mit falsch klingenden Worthülsen einfach totgeritten. Und warum vertraut RTL eigentlich nicht darauf, dass ein Thema die Zuschauer vor dem Bildschirm hält? Warum müssen zwei  Themen in 51 Minuten reingepackt werden? Da muss dann halt oft hin und her gesprungen werden. Von perversen Menschen, die mit Kindern Sex haben wollen, zu kinderlosen Menschen, die eine Leihmutter oder ein Baby suchen. Richtig abscheulich und zynisch wird's vor der Werbung. Werbepausen - Angstgegner der Fernsehmacher. Da gehen Leute aufs Klo, holen Bier und schalten einfach um. Das muss mit allen Mitteln verhindert werden. Mit hochdramatischer Musik und hochdramatischen Worten wird verkündet, was es alles nach der Werbung noch zu sehen gibt. Ein kleines Mädchen, das von Pädophilen als Lockvogel missbraucht wird. Und abscheuliches Preis-Feilschen um einen Baby-Kauf. Das alles - gleich nach der Werbung. In „Undercover Deutschland“. Spätestens da offenbart sich die ganze barbarische Vermarktungsstrategie von RTL. Egal, ob Sekten, Sex  oder Leihmütter. Alles wird mundgerecht aufbereitet. Und das einzige das zählt, sind zahlreiche Zuschauer vor dem Fernseher. Dass die beiden Reporter in der nachfolgenden Sendung „Extra – Das Magazin“ noch mal mit betroffener Miene von ihrer Arbeit berichten müssen, ist dann eigentlich nur noch das Tüpfelchen auf einem ziemlich abscheulichen „i“. Richard Weber

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