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So ähnlich würde es aussehen, sollten künftig sechs Parteien im Bundestag sitzen. Von links nach rechts: Volker Kauder (CDU), Thomas Oppermann (SPD), Sahra Wagenknecht (Die Linke), Katrin Göring-Eckardt (Grüne), Christian Lindner (FDP), Frauke Petry (AfD).

© WDR/Oliver Ziebe

TV-Kritik zu „Hart aber fair“: Die große Castingshow zum Bundestagswahlkampf

Sechs Politiker aus sechs Parteien diskutierten bei Plasberg am Montag die Themen Sicherheit, Steuern und Rente. Was dabei rauskam: mehr Schrei- als Gesprächstherapie.

Die ARD darf nicht von einer Konferenz europäischer Rechtspopulisten berichterstatten. Die AfD hat’s verboten. Die ARD hat die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry in die Talkshow „Hart aber fair“ eingeladen. Und Petry ist gekommen. Die ARD hat einen wichtigen Punkt gemacht: Souverän hat sie das Zuschauerinteresse zur AfD vor die eigene Aufregung über den Ausschluss durch die AfD gesetzt.

Frauke Petry hat den Vorgang nicht erwähnt, Moderator Frank Plasberg auch nicht. Das war klug, und es war notwendig, weil sich die Diskussion bei „Hart aber fair“ sonst auf diese Hakelei konzentriert hätte. Nein, Plasberg und seine Gäste sollten das große Ganze in den Blick nehmen: „Sicherheit, Steuern, Rente – der Wahlcheck 2017!“. Die Fraktionsvorsitzenden im Bundestag - Volker Kauder (CDU), Thomas Oppermann (SPD), Katrin Göring-Eckardt (B‘90/Die Grünen), Sahra Wagenknecht (Die Linke) – wurden mit den Bundesvorsitzenden Frauke Petry (AfD) und Christian Lindner (FDP) zur Talkrunde zusammengeholt.

Weniger Steuern, mehr Sicherheit

Es war also alles angerichtet für die große Castingshow zum anstehenden Bundestagswahlkampf. Welche Themen, welche Positionen, welche Persönlichkeiten, welche Koalitionen funktionieren? Schnell erkennbar: Die schwarz-roten Großkoalitionäre lassen die Opposition kommen, Kauder und Oppermann werden nie müde werden, die Erfolge ihrer Regierungsarbeit herauszustellen, umgekehrt die Opposition im Bundestag wie auch die außerparlamentarische werden mit gestrecktem Zeigefinger auf Versäumnisse und Fehler von Union und SPD hinweisen. Die Lautesten werden ohne Zweifel FDP-Mann Christian Lindner und AfD-Frau Frauke Petry sein.

Steuern, der Umgang mit Steuergeld, Steuergerechtigkeit, die Positionen der Parteien gehen weit auseinander, das konnte der Zuschauer ohne Mühe begreifen; bei der Frage von Vermögens- und Erbschaftssteuer zum Beispiel wird es sehr viel detaillistischer, komplizierter, komplexer. Nach den Aussagen in der Runde zu urteilen, ist da nicht jeder sattelfest, was Sache ist, was Sache sein soll; Sahra Wagenknecht von der Linken scheint sehr genau Bescheid zu wissen, Frauke Petry kann noch dazulernen.

Aber, und das war ein Erkenntnisgewinn über die 75 Minuten, die Parteien werden sich fein säuberlich darin unterscheiden, welches Thema sie im Wahlkampf stark machen werden. Es werden sehr viel weniger die Steuern als die Sicherheit sein. Hier wird’s emotional, hier wird’s ideologisch, hier wird’s krass. Schon die Eingangsfrage „Trägt Angela Merkel eine Mitschuld am islamistischen Terror des vergangenen Jahres?“ ließ Volker Kauder rot anlaufen: „Infam“ nannte er sie. Die Runde geriet in Wallung, aus dem  Argumentationsmodus wurde blitzeschnelle in den Angriffsmodus geschaltet. „Unerträglich“, „absurd“, „Unverschämtheit“, nur einige der Invektiven, die durchs Studio flogen. Dieses Thema wird in den kommenden Monaten ganz oben stehen, es sorgt für Stimmung, für Mobilisierung, es aktiviert das mächtige Gefühl „Angst“.

Die anderen Politiker ergehen sich in Empörung statt in eigener Polit-Darstellung

Und als hätte der clevere Moderator Frank Plasberg nur darauf gewartet, konfrontierte er Frauke Petry mit dem Tweet ihres AfD-Mannes Marcus Pretzell, der nur 70 Minuten nach dem Attentat in Berlin von „Merkels Toten“ geschrieben hatte. Petry wand sich und wand sich – ohne sich von der Aussage zu distanzieren. Echtes Lern- und Lehrmaterial bei „Hart aber fair“:  Die AfD wird das Flüchtlingsthema weiter brutal  instrumentalisieren, jeder Talkmoderator wird den Pretzell-Tweet in der Hinterhand halten, um die AfD in die Defensive zu bringen.  Und für alle, Politiker wie Bürger wie Journalisten, gilt: Der Bundestagswahl 2017 kann böse und schmutzig werden. Es müssen nur – siehe „Hart aber fair – die richtigen Knöpfe gedrückt werden.

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