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Moderator Johannes B. Kerner führte im Danke-danke-danke-Modus durch die Sendung.

© dpa

Update

TV-Kritik zu "Menschen auf der Flucht - Deutschland hilft!": Hilfsbereitschaft wird Hilfsbesoffenheit

Wo Realität zur Realityshow wird - Johannes B. Kerner moderiert im ZDF vor 2,17 Millionen Zuschauern die Livesendung zu den Flüchtlingen.

Ich gestehe, ich hatte ein Problem mit der Sendung. Deutschland hilft den Flüchtlingen, auf breiter Front, auf vielen Ebenen, mit hunderttausenden Gesten, Händen, mit Rat und Tat. Das geht nur mit der Hilfsbereitschaft, mit dem Engagement von Millionen Menschen. Eine Sendung, die nur 90 Minuten dauern soll, die kann nur einen Ausschnitt, einen Querschnitt der Helfer und Hilfsaktionen geben. Das kann sie, wenn sie will. "Menschen auf der Flucht - Deutschland hilft!" wollte das nicht. Die Livesendung bot den Promis, bekannt aus Film und Fernsehen, eine Bühne, einen Catwalk, um ihre tiefe Anteilnahme, ihre tiefe Betroffenheit zu zeigen, eigentlich vorzuführen. Also wurde die Schauspielerin Anna Loos, sie war einst aus der DDR in den Westen geflohen, nach Budapest expediert. Einen Rucksack aufgeschnallt stiefelte sie in den Ostbahnhof, allein, es war nur noch eine Handvoll Flüchtlinge vorzufinden. Ein Urteil war schnell gesprochen: Ungarn viel böse, Deutsche viel gut. Merkwürdig, sinnlos, Zeit- und Geldverschwendung?

Die Schauspielerin saß dann im Studio, berichtete, was sie schon im Film gesagt hatte. Til Schweiger wurde aus Moskau zugeschaltet. Ja, er werde allen Widerständen zum Trotz an seinen Hilfsaktionen festhalten. Ach. Dann sang Yvonne Catterfeld, Sie spendet alle Einnahmen, die sie aus dem Download ihres Songs erzielen wird. Kerner sagte wieder: Danke, danke, danke. Silvia, die Königin von Schweden, fehlte nicht mit einem Grußwort.

Keinem Promi ist zu unterstellen, dass er nur helfen will, weil ihm das Publikum sonst gram ist. Dem ZDF aber ist zu unterstellen, dass der Sender das große Thema mit zu viel Unterhaltung transportieren, quasi mit dem Promi-Faktor adeln wollte. Die Sendung machte aus der Realität eine Reality-Show - nicht immer, doch zu oft. Es war einfach zu gefühlig, zu emphatisch, ja, zu empathisch. Muss denn die Hilfsbereitschaft zur Hilfsbesoffenheit hochgepusht werden?

"Menschen auf der Flucht - Deutschland hilft!" war in der ersten Stunde eine fehlintendierte Promi-Nummern-Revue: "Ein Herz für Flüchtlinge". Dann endlich wurde der Fokus gedreht, die Gespräche kamen aus dem Bitte-Danke-Tschüß-Modus heraus, es kamen Helfer zu Wort, die wirklich helfen und nicht für Hilfe werben. Es kamen Flüchtlinge zu Wort. Die Sendung gewann Statur, weil nicht mehr über, sondern mit gesprochen wurde. Deutschland, viele Deutsche wollen helfen, wirklich helfen. Die Willkommenskultur ist über alle Schichten, Altersgruppen, Sparten hinweg real.

Real ist auch, was die Sendung mit der sehr überschaubaren Quote von 2,17 Millionen Zuschauern komplett zu erwähnen vergaß: Es gibt Fragen, Bedenken, Ärger. Nicht von den Bösen, die können nur Hass, von denen, die wissen, dass das "Septembermärchen" mal auserzählt sein wird. Die Herausforderung kommt noch. Sehr zu hoffen, dass das ZDF sich dieser Herausforderung sehr schnell stellen wird. Nicht in einer Flüchtlingsshow, sondern so, wie es das anschließende "Heute-Journal" geleistet hat.

Was gerade passiert, ist keine Flutkatastrophe, es ist eine Flüchtlingskatastrophe. Menschen kommen, nicht Wasser.

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