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Medien: TV mit Tiefenschärfe

Erstmals wurde ein Bundesligaspiel in der hoch auflösenden HDTV-Technologie gezeigt

HDTV hat gegen PAL gewonnen, eindeutig und verdient. Das Bundesligaspiel des Tabellenführers Werder Bremen gegen den VfB Stuttgart am Sonntagabend war tatsächlich das „schärfste Spiel der Saison“, da hatte Plazamedia nicht übertrieben. 4 : 4 endete die Partie in Stuttgart, und Plazamedia-Geschäftsführer Florian Nowosad verknüpfte sogleich das Ergebnis der packenden Partie mit der „vier Mal so hohen Auflösung des High Definition Television“ im Vergleich zur derzeitigen Produktionsform PAL. In der gängigen PAL-Norm wurde vom Abo-Fernsehen Premiere zeitgleich die auch nicht schlechte Begegnung Hamburger SV gegen den 1. FC Kaiserslautern übertragen. Bei den Superlativen, die das Spitzenspiel der Fußball-Bundesliga in Stuttgart einheimste, konnte es nicht ausbleiben, dass die Plazamedia-Verantwortlichen gleich von einem „fernsehhistorischen Moment“ sprachen.

Ein bisschen davon hatte der TV-Fußballabend mit seinen 170 Gästen in den Plazamedia-Studios in München-Ismaning schon. Deutschlands größter TV-Sport-Produzent zeigte gemeinsam mit seinem belgischen Partner Alfacam N.V. erstmals ein Fußball- Spiel in HDTV; HDTV, also das hoch auflösende Fernsehen, ist ein Kürzel, das seit Jahren wie andere technische Heilsversprechen – man nehme nur das Digital Audio Broadcasting (DAB) – durch Deutschland getragen wird. Der neue Auftritt von HDTV scheint günstig gewählt. Jetzt, da die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland immer näher rückt, glauben Geräte-Hersteller und TV-Dienstleister, das Interesse für diesen Übertragungsstandard endgültig und massentauglich wecken zu können. Das Geschäftsmodell funktioniert beim Fußball- Event – oder es wird nie funktionieren. Bei der Deutschland-Premiere im dörflichen Ismaning ging Plazamedia geschickt vor: Auf der Großleinwand wurde die HDTV-Begegnung Bremen vs. Stuttgart immer wieder von der PAL-Partie HSV vs. Kaiserslautern unterbrochen. Unbestritten, ein „hoch aufgelöstes Fußballspiel“ ist ein Ereignis: Die Fernsehbilder folgen dem Format 16 : 9 (PAL arbeitet mit 4 : 3), sie wirken feiner und präziser, die Farben und der Ton sind satter, wesentlichster Unterschied ist die Tiefenschärfe: HDTV- produzierte Bilder basieren im Idealfall auf 1920 mal 1080 Bildpunkten (PAL: 720 mal 576 Punkte). Der Zuschauer sieht kleinste Strukturen und Details – effektvoller wird Bremens Torjäger Ailton noch nie aus der Nase geblutet haben, porentiefer war das Gesicht von VfB-Trainer Magath noch nicht zu sehen. Die Vorzüge der vermehrten Bildzeilen zeigen sich besonders bei den Großaufnahmen und bei den Zeitlupen. Die gewaltigen Emotionen, die heute in einem Fußballspieler und in einem Fußballspiel stecken, werden mit HDTV noch gewaltiger. Allerdings gilt auch: Ein schwaches Match wird selbst mit HDTV nicht besser. Die Probe aufs Exempel hat vorgeführt, dass die Rolle der Schiedsrichter, die in Sekundenbruchteilen und ohne jede Nachversicherung per Zeitlupe entscheiden müssen, noch schwieriger wird. Jeder Zweikampf, alle strittigen Situationen werden schier seziert. Der Schiedsrichter verliert beim Fernsehfußball immer, und bei HDTV wird seine Niederlage grandios.

Apropos: Plazamedia kann nicht sicher sein, auch in der nächsten Saison als Generalunternehmer die Fernsehbilder für alle 612 Spiele der beiden Bundesligen zu produzieren. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat den Vertrag noch nicht verlängert, im Hintergrund bewirbt sich eine Anbietergruppe um den scheidenden DFL-Geschäftsführer Kommunikation Michael Pfad um den Auftrag. Wilfried Straub, Vorsitzender der DFL-Geschäftsführung, zeigte sich von der HDTV- Demonstration durch Plazamedia schon einmal beeindruckt: „Die DFL wird alle Maßnahmen, die zu einer optimierten visuellen Präsentation der Bundesliga und der 2. Bundesliga führen, unterstützen.“ Die Erfahrungen in den USA, in Asien (China soll bald das führende HDTV-Land dieser Fernseh-Erde sein) und in Teilen Europas haben gezeigt, dass mit HDTV Emotionen verkauft und von den Fans Emotionen gekauft werden. Sport und Musik, das sind die beiden Bereiche mit der größten HDTV-Affinität; nicht von ungefähr zeigt Europas erster HDTV-Kanal „Euro 1080 – das Tochterunternehmen von Alfacam ist seit Januar 2004 mit zwei Kanälen auf Sendung – Konzerte, Opern und Sportveranstaltungen. Während der Fußball-EM 2004 in Portugal wird Euro 1080 in 35 deutschen Kinos verschiedene Spiele im HDTV-Modus anbieten, wie Plazamedia-Chef Nowosad ankündigte. Das ist ein bescheidener Anfang, das sind Appetithappen. Mit dem Zielpunkt Fußball- WM 2006, bei der der HDTV-Modus Produktionsstandard sein wird, soll der widerspenstige deutsche Markt wenn nicht erobert, so doch aufgeschlossen sein. Nach Nowosads Angaben „kommt in diesem April die entsprechende Settop-Box für 400 Euro in den Handel.“ Und das Gerät soll so konfiguriert sein, dass all die anderen Settop-Boxen, die ein avancierter TV-Haushalt benutzt, darin inbegriffen sind. Ferner braucht es ein LCD- oder Plasma-TV-Gerät, derzeit mit 1000 Euro eher knapp kalkuliert. Und wer beides hat, sieht noch kein HDTV-Programm in Überfülle.

Was das hoch auflösende Fernsehen zum Markterfolg eben unbedingt braucht, sind Zuschauer, die sagen, sie brauchen HDTV, und Fernsehsender, die bereit sind, die noch rund 20 Prozent höheren Produktionskosten gegenüber dem PAL-Modus aufzubringen. Und vor allem ein Programm, von dem Kommentator Marcel Reif begeistert ausruft: „Sie wollten immer mal ein Spitzenspiel sehen. Hier haben Sie eins.“

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