zum Hauptinhalt
Live aus Kairo. ARD-Korrespondent Jörg Armbruster reportiert Situation und Stimmung nach dem Rücktritt des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak.

© Tsp

TV-Revolution: Live vom Tahrir-Platz

ARD und ZDF unterbrechen für die Revolution in Ägypten ihr Programm – das Publikum belohnt sie.

Tanker haben den Nachteil, dass sie nur langsam ihre Richtung ändern können. Haben sie aber ihren Kurs gefunden, dann ist kein Stoppen mehr. ARD und ZDF sind zwei öffentlich-rechtliche Tanker. Viele Worte haben die Verantwortlichen beider Systeme für die Rechtfertigung verwendet, warum sie die Mubarak-Rede am 4. Februar nicht live ins Programm genommen hatten, warum die Vollprogramme gegen das Ereignisfernsehen gewichtet werden.

Am Donnerstagabend, am Freitag war alle Bedenkenträgerei, alles Bibbern vor dem unterhaltungssüchtigen Zuschauer vergessen. ARD und das ZDF unterbrachen ihre Programme für die Live-Übertragung des Auftritts von Ägyptens Noch- Präsident, beide Systeme waren à jour, als am Freitag Mubaraks Rücktritt bekannt wurde. Schon am Abend zuvor zeigte sich bei den „Breaking Tagesthemen“ und beim „heute journal spezial“, wie gut die Teams um Tom Buhrow und Claus Kleber aufgestellt waren. Die Mubarak-Rede wurde simultan übersetzt, die für deutsche Zuschauer verwirrenden Details des Machtübergangs summiert und eingeordnet.

Das „heute-journal“ bot die noch bessere Analyse, breiter und vertiefter. Immer wieder stieg das Zweite aus der Übertragung für Zwischenresümees aus, Kleber hatte sich dafür Luc Walpot, den früheren Kairo-Korrespondenten, an die Seite geholt. War es richtig, war es zu viel Interesse an einer Überdramatisierung, dass im „journal“ der Bildschirm geteilt wurde, um die Rede mit den Reaktionen auf dem Tahrir-Platz abzugleichen? Schon sollten die Massen auf den Präsidentenpalast losmarschieren, in Mainz wurde die Revolution in Ägypten ausgerufen.

Es mag ein Nachteil sein, dass die kundigen Korrespondenten von ARD und ZDF auf Balkonen und Hausdächern stehen und quasi wie in einer „Mauerschau“ die Bewegungen auf dem Tahrir-Platz ausdeuten. Ein reiner News-Kanal wie das amerikanische CNN, das mit deutlich mehr Personal präsent ist, hat einen Mitarbeiter mittendrin platziert. Das hat etwas Unmittelbares, Authentisches.

Vor der Leistungsschau von ARD und ZDF an den beiden vergangenen Tagen sind das lässliche Beobachtungen. Die Öffentlich-Rechtlichen haben ihren Auftrag zur Information wahrgenommen, ernst genommen. Sie hatten ihre Publika eingestimmt, vorbereitet. Am Donnerstag war noch Bänglichkeit im Ton: Buhrow beschwor die ARD-Zuschauer geradezu, dass sie vom „Star Quiz“ auch nicht eine Sekunde versäumen würden, wenn Mubarak – erinnerte er nicht an die Gespensterstunde mit Erich Mielke („Ich habe euch doch alle lieb“)? – statt Kai Pflaumes Betonlächeln auftauchen werde. Am Freitag war die leichte Unsicherheit neuem Selbstbewusstsein gewichen. Das Zweite, stärker noch das Erste bearbeiteten das Thema Ägypten nach dem Rücktritt mit Verve, Sorgfalt wie Schnelligkeit.

Was über die „Tagesschau“, Tagesthemen extra“, über „heute“ und „heute journal spezial“ auf den Schirm kam, das war Kompetenz und Anstrengung in einem. Das Publikum, von ARD und ZDF erkennbar unterschätzt in seinem Interesse, hat mitgemacht. Die „Breaking News“ im Ersten waren mit 6,20 Millionen Zuschauern die meistgesehene Sendung des Donnerstags. Egypt sells.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false