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Da war in die Röhre schauen noch aufregend: 1962 zappen zwei Frauen durchs Fernsehprogramm.

© dpa

TV - Total vorbei: Fernsehen - wer schaut das noch?

Unser Kolumnist hat in der vergangenen Woche kein Fernsehen geschaut. Er hat es vergessen. Hatte besseres zu tun. Und andere Leute? Schauen auch nicht, oder falls doch, dann heimlich. Eine Glosse.

Ich habe in der vergangenen Woche kein Fernsehen geschaut. Das war gar keine Absicht, keine bewusste Entscheidung – ich habe das tatsächlich schlichtweg vergessen. Dass es so etwas wie das Fernsehen gibt, daran erinnert einen ja auch niemand. Keiner fragt: „Hast Du das gestern Abend gesehen?“ – so wie man früher auf dem Schulhof gefragt wurde. Entweder die Leute schauen alle überhaupt kein Fernsehen mehr, oder sie tun es heimlich, im Verborgenen, und schämen sich insgeheim dafür. Oder aber, es geht ihnen wie mir und sie haben es einfach vergessen.

Vergangenes Wochenende war ich tagsüber ständig unterwegs, mal hier mal da, zu Fuß und mit dem Rad. Frühling, Sie wissen schon. Abends war ich dann so müde, dass ich quasi um neun Uhr ins Bett gegangen bin. Am Montag hatte ich beruflich in Frankfurt am Main zu tun. Die Stadt macht einen fix und fertig. Ich war froh, als ich zurück in Berlin war und ging am Abend noch ein bisschen spazieren, um mich zu freuen, dass ich hier lebe und nicht woanders. Am Dienstag wollten dann viele Kollegen mit mir über Texte sprechen, die sie am Wochenende in anderen Zeitungen gelesen hatten. Das müssen teilweise ganz schlimme Texte gewesen sein, so aufgebracht waren die Kollegen. „Das kann man nicht ernsthaft machen“, lautete zum Beispiel ein Urteil. Ich hatte keine Ahnung, wovon sie redeten, versprach aber, mich zu informieren (was ich dann am Abend auch tat, weshalb ich nicht Fernsehen konnte, aber immerhin musste ich meinen Kollegen zustimmen).

Liveticker statt Fernsehen

Gleichzeitig verfolgte ich im Liveticker das Fußballspiel zwischen Schalke und Madrid, und obwohl ich bekanntermaßen kein Fan von Schalke bin, ärgerte ich mich, dass ich das Spiel nicht sehen konnte. Allerdings transportiert so ein Liveticker eine ganz andere Spannung, eine ganz andere Dramatik – wenn ich beim Fernsehen etwas zu sagen hätte, dann würde ich mir überlegen, ob ich gegen die Erfindung des Livetickers nicht klagen würde.

Am Mittwochabend war ich mit meinem besten Freund zum Essen verabredet, er redete über schlimme Texte, die er am Wochenende gelesen hatte und ich konnte ihm immerhin zustimmen. Irgendwann fiel uns beiden ein, dass gerade Bayern München spielt, aber da war es schon zu spät und vor allem egal. Wir schauten auf dem Liveticker nach, es stand 6:0, dass muss man sich nicht wirklich anschauen.

Am Donnerstag starb dann Terry Pratchett, und es ist natürlich nicht richtig, mit Dingen, die man sich schon immer vorgenommen hat, erst dann anzufangen, wenn ein tragisches Ereignis einen daran erinnert. Jedenfalls fing ich am Donnerstagabend damit an, die Scheibenwelt-Romane zu lesen – der Fernseher stand etwas beleidigt in der Ecke rum. Ich hatte ein leicht schlechtes Gewissen.

Jetzt ist Freitag. Seit einer Woche habe ich kein Fernsehen geschaut. Ich spüre keinen Mangel, es fehlt mir nichts. Trotzdem frage ich mich, ob das der Anfang vom Ende einer wunderbaren Freundschaft sein könnte. Wir haben uns also erst mal verabredet, mein Fernseher und ich. Sonntagabend, 20 Uhr 15. Ich hoffe, mir kommt nix dazwischen.

Alle anderen Teile der Kolumne von Matthias Kalle finden Sie hier.

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