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Medien: Und ewig grüßt Hans Albers

Vor 60 Jahren erschien die SED-Zeitung „Neues Deutschland“ zum ersten Mal

Von Matthias Meisner

Hans Albers schickte „herzliche Grüße“ zur ersten Ausgabe. Vor 60 Jahren schrieb der Volksschauspieler den Lesern des „Neuen Deutschland“: „Ein neues und freies Deutschland steht als Aufgabe vor uns allen, der wir uns, jeder an seinem Platz, mit aller Kraft widmen werden.“ Die Zeitung druckte den Glückwunsch jetzt nach auf der Einladung zu ihrer Jubiläumsmatinee an diesem Sonntag in der Berliner Volksbühne. Er hört sich so fröhlich an. In der Erstausgabe selbst ist ein schmunzelnder und Pfeife schmauchender Albers abgebildet.

Dabei ist die Geschichte des „Neuen Deutschland“ gar nicht lustig. Die Zeit war aufgeladen, am Vortag des 23. April 1946 war der Parteitag zur Vereinigung von SPD und KPD zur SED besiegelt worden. Die Zeitung feierte das erzwungene Bündnis als „größtes Ereignis für unser Volk nach der faschistischen Tragödie“, als „Erfüllung der Sehnsucht Millionen Werktätiger“, und das unter den Fotos von Karl Marx und Friedrich Engels. Im Geleitwort zur ersten Ausgabe versicherten Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl, das „Neue Deutschland“ werde dafür sorgen, dass „das Panier der Partei sauber und blank ist“.

Die Säuberungsaktionen machten auch vor dem Zentralorgan der SED nicht halt. Wer sich als Chefredakteur den Vorgaben der Partei nicht eilfertig unterwarf, zahlte mit Absetzung und Parteiausschluss. Den Aufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR ordnete die Parteizeitung als „imperialistische Provokation faschistischer Agenten“ ein. Bald darauf brachte sie ihren Lesern bei, zwischen den Zeilen zu lesen, ließ etwa einen Aufmacher mit den Worten beginnen: „In der Republik herrscht Ruhe. Es wird normal gearbeitet.“ Heute sagen die Herausgeber der Zeitung selbstkritisch: „Der antifaschistische Impuls, der die Gründung und ersten Jahren der Zeitung begleitet hatte, wurde mehr und mehr davon überdeckt, Sprachrohr der Mächtigen in der DDR zu sein.“ 1,1 Millionen Exemplare wurden gedruckt, damit war das „Neue Deutschland“ nach der „Jungen Welt“ die zweitgrößte Zeitung der DDR.

Das Blatt wagte keine Experimente, bis 1989 nicht. Der Geburtstag von Karl Marx, der Jahrestag der Oktoberrevolution, Berichte über Parteiveranstaltungen und Staatsbesuche – immerhin der Sport- und Kulturteil waren lesbar. In den letzten Jahren der DDR galt schon der Abdruck einer Rede von Michail Gorbatschow als erfrischend. Noch zum 40. Geburtstag 1986 versicherte die Zeitung, sie leiste als „kollektiver Agitator, Propagandist und Organisator“ ihren „Beitrag dafür, dass Partei und Volk in gutem Vertrauensverhältnis miteinander verbunden sind“.

Am 3. November 1989 druckte das „Neue Deutschland“ zum ersten Mal eine Berichtigung. Einen Tag vor der großen Demonstration für Versammlungs- und Pressefreiheit auf dem Alexanderplatz rückte die Zeitung eine ihrer absurdesten Geschichten zurecht – knapp zwei Monate zuvor wollte das Blatt enthüllt haben, dass nach Ungarn flüchtende DDR-Bürger in Wahrheit „in die Fänge kaltblütiger berufsmäßiger Menschenhändler“ geraten seien. Bedauerlich nannte das Blatt die ihr offenkundig von der Stasi gesteckte Geschichte erst, als es zu spät war.

Das „Neue Deutschland“ wurde nicht aus eigenem Antrieb aus der parteilichen Vormundschaft entlassen. Es gehört bis heute der PDS, die jetzt Linkspartei heißt, firmiert als „sozialistische Tageszeitung“. Die Redaktion bestreitet eine redaktionelle Einflussnahme der Eigentümer. 50 000 Exemplare werden verkauft. Die ökonomische Situation ist schwierig. Der seit 1999 amtierende Chefredakteur Jürgen Reents – ein West-Linker und früherer Grünen-Bundestagsabgeordneter – will die Zeitung zum Debattenorgan über „linke Perspektiven“ machen. Er hofft, so auch im Westen Interesse etwa bei Gewerkschaftern zu wecken. Das klappt nur sehr langsam. Noch wird die Zeitung fast nur im Osten gelesen, der Altersdurchschnitt der Abonnenten liegt bei 65 Jahren.

Reents lobt sein Blatt als „die überregionale Tageszeitung, der man getrost anmerken darf, dass sie aus dem Blickwinkel derjenigen geschrieben ist, die Unrecht erleiden“. 60 Jahre nach der Zeitungsgründung hofft er: Wenn sich Deutschland erneuern müsse, könne auch aus dem „Neuen Deutschland“ eine attraktive Marke werden.

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