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Medien: „Ungenügend“

Novellierung des Kartellrechts: Wirtschaftsminister Clement äußert sich enttäuscht über die Uneinigkeit der Verleger

„Zeitungen sind ein Kulturgut“, die Vielfalt der Titel sei „charakteristisch für Deutschland“, und „wir sind gut beraten, auf unsere Kultur besser zu achten“, sagte Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) am Mittwochabend beim Medienclub des Deutschen Journalistenverbandes in Berlin. Dort äußerte er sich zur Diskussion über die anstehende Liberalisierung des Kartellrechts für die Presse. Er tat dies ausführlich und attestierte den Verlegern ein Ungenügend. Sie seien nicht zur Bildung einer gemeinsamen Meinung fähig, und das, obwohl die wirtschaftliche Situation ernst sei. Die Uneinigkeit sei „nicht gut für die Branche“.

Es geht um das geltende Kartellrecht für die Übernahme und Fusion von Medienunternehmen und die 1976 eingeführte Pressefusionskontrolle, die selbst für einen kleinen Verlag eine Fusion oder auch nur Kooperation mit einem anderen fast unmöglich macht. Zweitens geht es darum, dass die zu überprüfenden Grenzen der Marktmacht eines Verlages sehr eng gesteckt sind. So wird der Markt der Abonnementzeitungen getrennt gesehen von dem der Boulevardblätter. Auch die Konkurrenz der Zeitungen mit Radio- und Fernsehsendern wird nicht beachtet. Vor 30 Jahren, als das Gesetz in Kraft trat, gab es keinen Privatfunk, da stellte sich die Frage nicht. Tatsächlich konkurrieren Zeitungen und Sender um dieselben Werbekunden sowie Geld- und Zeitbudgets. Viele verzichten etwa auf ihre Zeitung und informieren sich lieber über vermeintlich kostenlose Radiosender, das Fernsehen oder das Internet.

Der Markt und der Wettbewerb haben sich verändert, die wirtschaftliche Situation gefährdet die Existenz von Verlagen, auch nach einer konjunkturellen Erholung werden die Verlage nicht mehr dieselben Anzeigenerlöse erwirtschaften wie früher. Auf Anregung des Kölner Verlegers Alfred Neven DuMont vor zwei Jahren, die Politik möge das Kartellrecht für die Medien reformieren, bot Kanzler Schröder in diesem Sommer seine Bereitschaft an und lud Vertreter der großen Verlage ein, ihre Vorschläge zu formulieren.

Doch die Vorstellungen gehen weit auseinander. Die Verleger kleiner Zeitungen wollen ihre Eigenständigkeit nicht verlieren. Die Großen, so auch die Verlagsgruppe Holtzbrinck, die den Tagesspiegel zu Gunsten der „Berliner Zeitung“ verkauft, würden gern verlagswirtschaftlich kooperieren und im Gegenzug, etwa durch weiterhin eigenverantwortliche Verleger beziehungsweise Herausgeber, die Eigenständigkeit der Redaktionen garantieren. Und ein Verlag wie Springer, der mit „Bild“ überall präsent ist, wehrt sich dagegen, dass die Märkte aufgebrochen und Abo- und Boulevardzeitungen kartellrechtlich im Wettbewerb miteinander betrachtet werden.

Entsprechend explosiv ist die Stimmung im Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, in dem die Interessen der Verlage kollidieren. Die elf Landesverbände mit ihren 300 Mitgliedsverlagen konnten sich am Dienstag immerhin auf das Datum 19. November einigen. Dann soll ein Entwurf stehen, der Clement unterbreitet wird.

Die Frage ist, wie klein der gemeinsame Nenner ist, auf den sich die Verlage einigen. Die Zeit drängt, Clement sagte am Mittwoch, er sei nicht bereit, der aus EU-rechtlichen Gründen zum 1. Mai 2004 sowieso anstehenden Kartellrechtsnovelle eine weitere nachzuschieben. „Wir entscheiden sehr rasch. Wir wollen ein komplettes Gesetzeswerk“, sagte er und kritisierte, dass keiner der bisher eingegangenen Vorschläge von Verlagen ausgefeilt genug sei. Ein Minimalkonsens sei zu wenig. Klar sei, dass die Redaktionen und Titel auch nach der Fusion von Verwaltung, Vertrieb und Technik weiter in den Händen der Altverleger bleiben müssten; Redaktionsstatute schließt Clement aus, eine Stiftungslösung sei schwer im Kartellrecht zu verankern, und staatliche Hilfen seien angesichts des generellen Subventionsabbaus problematisch – zumal „nicht ein Hauch“ von staatlichen Einflussmöglichkeiten entstehen dürfe. Staatliche Hilfen fordert der Journalistenverband in einem Entwurf, der (entgegen den Angaben des Vorsitzenden Rolf Lautenbach) jedoch noch nicht beim Ministerium eingereicht ist.

Angesichts der Uneinigkeit der Verleger sagte Clement, er wolle „die Branche nicht gegen ihren Willen in Anspruch nehmen“. Eine Situation wie in den USA, wo nur eine Hand voll Zeitungen erscheint, könne jedoch niemand wollen. Ebenso wenig, dass Zeitungstitel verschwinden oder von ausländischen Finanzinvestoren übernommen werden, weil das Kartellrecht den Verlagen einen Riegel vorschiebt. Es gehe um Pressevielfalt, Wettbewerbsfähigkeit und letztlich um menschliche Schicksale. „Das erfordert mehr Gesprächsfähigkeit als bisher.“

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