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Medien: „Unislamischer Agent“

Vier Jahre Haft für ägyptischen Blogger

Der Vater hatte sein Urteil bereits gefällt. Er sagte sich öffentlich von seinem 22-jährigen Sohn Abdel Karim Nabil Soleiman los und forderte eine Bestrafung nach islamischem Scharia-Recht: Zeigt der junge Mann nach drei Tagen keine Reue, soll er getötet werden. Dagegen wirkt die Strafe des ägyptischen Staates gegen den Blogger Abdel Karim fast gnädig: Wegen „Beleidigung des Islam“ und „Kritik am Präsidenten“ ist der junge Mann am Donnerstag in Alexandrien zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der ehemalige Student der Universität Al-Azhar hatte in seinem Blog die Unterrichtsmethoden der religiösen Hochschule und Präsident Hosni Mubarak kritisiert. Aber vor allem aber hatte er immer wieder grundsätzlich den Islam und seine Vorschriften angeprangert. Selbst Blogger-Kollegen, die sich solidarisch mit Abdel Karim zeigen, kritisieren hinter vorgehaltener Hand den antiislamischen Extremismus und die Hitzköpfigkeit des Kollegen, der sich in allen Punkten schuldig bekannt hat. Dennoch reisten sie zu jeder Verhandlung nach Alexandrien, denn es war der erste Prozess, in dem ein Blogger wegen der Inhalte seiner Schriften vor Gericht stand. Ein Präzedenzfall in einer Zeit, in der das autoritäre Regime zunehmend nervös wird angesichts des wachsenden Einflusses der Bloggergemeinde.

Auch der Autor des Blogs „Sandmonkey.org“, der anders als Abdel Karim nicht unter seinem Namen schreibt und diesen auch nicht nennen will, fuhr ins Gericht nach Alexandrien. Der 25-Jährige, der vier Jahre in den USA studiert hat, ist einer der bekanntesten der etwa 3000 ägyptischen Blogger, von denen sich allerdings nur eine Minderheit politisch äußert. Leser seines Blogs warnt er sogleich, dass er „zynisch, libertär und säkular“ sei. Er hatte im Streit um die Mohammed-Karikaturen publik gemacht, dass eine ägyptische Zeitung Monate zuvor bereits die Zeichnungen abgedruckt hatte, ohne dass dies zu Reaktionen führte, und eine Kampagne „Buy Danish“ mitorganisiert. „Wir sind die Schubkräfte“, charakterisiert er die Rolle der Blogger in der ägyptischen Gesellschaft. „Anders als in den USA arbeiten wir Hand in Hand mit den anderen Medien.“ So haben Blogger in jüngster Zeit mehrere Skandale publik gemacht, die später von der unabhängigen Presse und privaten Fernsehsendern aufgegriffen wurden. Beispielsweise die sexuellen Übergriffe auf Frauen und Mädchen am Ende des letzten Ramadan oder mehrere Folterfälle, von denen sie Bilder ins Netz stellten.

Das Innenministerium hat reagiert: Eine neue Einheit mit dem Titel „Kampf gegen Computer- und Internetverbrechen“ wurde geschaffen; die Computer des Internetcafes, aus dem die koptische Bloggerin „Hala el-Masri“ schrieb, wurden konfisziert; zahlreiche Blogger wurden bei Demonstrationen festgenommen. Dabei ist die Gemeinde alles andere als homogen. Der Alt-Trotzkist Hossam dokumentiert in seinem Blog die Streiks der Arbeiter in den großen Textilfabriken des Landes. Neben der offiziellen Website der Muslimbrüder gibt es zahlreiche individuelle islamistische Blogger.

„Ägypten braucht Diskussionsforen“, meint „Sandmonkey“, der die „konformistische Kultur“ mit ihren zahlreichen Tabus unerträglich findet. Der 25-Jährige, der täglich in seinem kleinen Apartment am Laptop sitzt, will die Menschen dazu bringen, „endlich mit dem Denken anzufangen“. Allerdings ist er besorgt darüber, dass die Behörden den Fall seines Kollegen Abdel Karim nutzen, um die Blogger insgesamt zu diffamieren. „Sie stellen uns alle als unislamische Agenten des Westens hin.“ Das könnte bei der ungebildeten Masse der Ägypter leicht funktionieren.

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