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"Fünf Stunden Selbstmitleid", lautet eine der US-Kritiken an "Unsere Mütter, unsere Väter". Tom Schilling (r.) spielt in dem Film den Soldaten Friedhelm.

© ZDF

US-Kritiker über "Unsere Mütter, unsere Väter": "Wie ein Propaganda-Film von 1943"

In den USA kommt "Unsere Mütter, unsere Väter" jetzt als "Generation War" in die Kinos. Die Kritiken an dem vielfach ausgezeichneten Film sind teils vernichtend.

Vielfach ist der ZDF-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ bereits ausgezeichnet worden, in 92 Länder wurde er bisher verkauft, doch als der Film am Mittwoch unter dem Titel „Generation War“ in US-Arthouse-Kinos anlief, urteilten die Kritiker teils vernichtend. Ein „fragwürdiges Geschichtsdrama“, nennt der „New York Times“-Chefkritiker B.O. Scott das Werk von Produzent Nico Hofmann, Regisseur Philipp Kadelbach und Drehbuchautor Stefan Kolditz – und er ist nicht der Einzige, der so scharf reagiert.

"Keusche, opferbereite Arier"

Scott lobt, dass Kadelbach die Arbeit seines US-Kollegen Steven Spielberg und dessen Film „Der Soldat James Ryan“ offenbar sehr gut studiert habe und zwischen Kriegsszenen und emotionalen Momenten kunstvoll alterniere, auch die Besetzung sei exzellent, die Erzählung entwickele eine Kraft ähnlich wie „Vom Winde verweht“ . Dann folgt das Aber: Das „Übel der Nazis“ würde lediglich „einigen cartoonartigen sadistischen SS- und Gestapo-Kommandeuren“ zugeschrieben. Der Film erinnere an die Propaganda der NS-Zeit. „Die keuschen, opferbereiten Arier, der Leutnant und die Krankenschwester sind, wenn auch nicht ohne Schuld, die Helden der Geschichte, so wie sie es in einem deutschen Film von 1943 gewesen wären.“

"Avatare der Geschichte"

In der „The Jewish Week“ werden ebenfalls die schauspielerische und Kadelbachs handwerkliche Leistung gelobt, bemängelt wird aber, dass „Generation War“ nur ein „grobes Diagramm“ ohne Tiefgang biete.
Auch in der „Village Voice“ wird das Vorgehen als zu „schematisch“ bezeichnet, die Charaktere seien als „Avatare der Geschichte“ klischeehaft und vage.

"Haben die kein Breaking Bad?"

Deutlichere Worte findet der Kritiker der US-Media-Seite avclub.com: „Fünf Stunden Selbstmitleid“ der NS-Jugend würde „Generation War“ servieren, es sei weniger eine Abrechnung als Ausflucht: „Ja, deine Großeltern waren vielleicht Nazis – aber sie hätten auch diese netten Leute sein können.“ Der Film bleibe bei einer einer „seltsam allgemeingültigen Haltung“ bezüglich des Kriegsschreckens. Joshua Rothkopf von „Time Out New York“ ist enttäuscht: Der Film sei ein „herkömmliches Melodram mit überdurchschnittlichen Produktionswerten“. Dass er in Deutschland im März mehr als sieben Millionen Zuschauern gewann, wundert ihn: „Haben die kein ,Breaking Bad‘?“

"Prädikat: Empfehlenswert"

Ganz anders dagegen Ella Taylor vom National Public Radio (NPR): „Recommended“, „empfehlenswert“, lautet ihr Urteil. „Generation War“ zeige, wie Totalitarismus nahezu alles inklusive der Eigenverantwortlichkeit korrumpiere. Der Kommunismus komme in dem Film deshalb kaum besser weg als der Faschismus. Deshalb müsse der Film überall gezeigt werden, wo Absolutismus herrsche.
Schon in Polen hatte der Film, dort ebenfalls ein Quotenhit, heftige Diskussionen ausgelöst. Historiker warfen ihm eine „gezielte Stereotypisierung von antisemitischen Polen“ vor, rechtskonservative Politiker beklagten „Geschichtsfälschung“.

Die US-Verleihfirma will den Film ans US-Fernsehen verkaufen

Produzent Nico Hofmann war am Mittwoch bei der Premiere im New Yorker „Film Forum“ dabei, er ist zufrieden mit den Reaktionen und Rezensionen in Amerika, die er „differenziert“ nennt. „,Unsere Mütter, unsere Väter‘ kennt in meiner Lesart keine Helden, sondern nur Täter, auch wenn sie unsere Eltern oder Großeltern waren. Das macht die Sache für uns Deutsche gerade so komplex, und deshalb hat der Film in vielen deutschen Familien schmerzhafte Erinnerungen freigesetzt. Der Wunsch nach Vergebung, so wie die ,New York Times‘ das formuliert, bleibt da reine Utopie, und er wäre auch nicht berechtigt.“

Auch das ZDF ist über die Reaktionen eher erfreut: "Die vielfältige, unterschiedliche und auch kontroverse Diskussion, die ,Unsere Mütter, unsere Väter' angestoßen hat, betrachten wir als Hinweis darauf, dass der Film einen wichtigen Beitrag zur Auseinandersetzung mit einem Thema liefert, das noch lange nicht auserzählt ist, vermutlich auch nie auserzählt sein wird und auch nicht sein sollte", heißt es aus der Filmredaktion. Es spreche für den Film, dass er so zahlreiche Beachtung und ein großes Publikum erfahren habe.

Die US-Verleihfirma Music Box strebt laut Hofmann an, den Film an einen großen US-Fernsehsender oder ein Streamingportal wie Netflix zu verkaufen. Die Diskussionen über die „Generation War“ dürften dann noch größer werden – damit hätten Hofmann und die Filmemacher eines ihr Ziele erreicht.

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