zum Hauptinhalt

US-Sender feiert Geburtstag: Trau keinem über 30

CNN hat 1980 TV-Nachrichten rund um die Uhr erfunden, doch im Jubiläumsjahr stürzen die Quoten ab.

Natürlich werden sie am Dienstag feiern. Und die Welt erinnern, dass sie die Nummer eins sind. Oder zumindest waren. CNN ist der Erfinder einer Branche, der Cable News 24/7, wie es im amerikanischen Kürzel-Slang heißt: Fernsehnachrichten rund um die Uhr, 24 Stunden an sieben Tagen der Woche. Am 1. Juni 1980 war CNN auf Sendung gegangen.

Die Zahlen zum 30. Geburtstag sind durchwachsen. Nach wie vor arbeitet CNN hochprofitabel, der Gewinn für 2009 soll bei 500 Millionen Euro liegen, doch die Quoten fallen dramatisch. Larry King, weltweit das wohl bekannteste CNN-Gesicht, zog im ersten Quartal 2010 nur 771 000 Zuschauer an, halb so viele wie 2009. Sean Hannity auf dem rechten Sender Fox hat parallel annähernd vier Mal so viele. Auch die dezidiert linke Konkurrenz, Rachel Maddow auf MSNBC, hat ihn längst überholt.

Anderen CNN-Gesichtern an wichtigen Sendeplätzen geht es kaum besser. Wolf Blitzers „Situation Room“ (17 Uhr) büßte 44 Prozent ein. Campbell Brown (20 Uhr) 50 Prozent. Anderson Cooper, der 2005 während des Hurrikans „Katrina“ mit anklagenden Reportagen aufgestiegen war – in denen, wie sich herausstellte, viele Behauptungen übertrieben waren –, verlor mit den 23-Uhr-Nachrichten über 40 Prozent. Die Nachahmer lassen das Original hinter sich. 2010 hat die konservative Sender-Konkurrenz die Nase vorne.

In den USA galten schon immer andere PR-Regeln als in Deutschland: Wenn die Konjunktur einbricht und die Einnahmen sinken, werden die Werbeetats nicht gekürzt, sondern hochgefahren – wie sonst soll man wieder ins Geschäft kommen? CNN betreibt, ganz amerikanisch, erst recht Self-Promotion: „The best team on television“ und „The most trusted name in news“. Das Jubiläum kommt gerade recht, um die eigene Pionierrolle hervorzuheben. Gründer Ted Turner war 25, als sein Vater 1963 Selbstmord beging und ihm eine Firma für Werbetafeln vererbte. Wenige Jahre später stieg er ins Fernsehgeschäft ein. Trotz seiner Erfolge wurde er zunächst belächelt, als er seine Idee der 24-Stunden-Nachrichten 1980 verwirklichte und von 1985 an mit CNN-International auch im Ausland ausbaute. Damals war es noch üblich, dass die Nation auf festgelegte Abendzeiten wartete, zu denen die Nachrichten des Tages präsentiert wurden. Turner setzte darauf, Bilder bewegender Ereignisse sofort zu zeigen. Oft heißt es, der erste Golfkrieg 1991 sei der Durchbruch gewesen: als CNN den Beginn des Bombardements in Bagdad live übertrug. Doch das gilt vor allem für den Erfolg im Ausland. In den USA setzte sich die CNN-Idee früher durch. Im Januar 1986 bei der Explosion des Space Shuttle „Challenger“ kurz nach dem Start hatte der Sender als einziger Live-Bilder. Im Oktober 1987 zeigte sich idealtypisch ein anderes Erfolgsrezept: Hochemotionale Human-Touch-Stories, die politisch bedeutungsarm sind, aber enorme Empathie auslösen, weil jede Familie fühlt, es hätte auch ihr passieren können. „Baby Jessica“, ein 18 Monate altes Kleinkind, war in Midland, Texas, in einen Brunnen gefallen. CNN berichtete nicht nur, sondern präsentierte sich als Mit-Retter.

In den Folgejahren gewöhnte sich Amerika und zeitverzögert die halbe Welt an das Gefühl, live dabei zu sein: beim Brennen und Plündern während der Rassenunruhen in Los Angeles 1992; bei der stundenlangen Flucht des Footballstars O. J. Simpson nach dem Mord an seiner Ehefrau Nicole Brown, die den US- Sendern wichtiger war als parallele Top- Spiele der Fußball-WM; 2001 beim Angriff auf die Türme in New York mit entführten Passagiermaschinen; 2003 beim Irakkrieg, nun bereits mit „embedded“ Reportern, die das Militär begleiteten.

Die Pionierrolle machte Ted Turner steinreich. 1996 verkaufte er den Sender für 7,4 Milliarden Dollar an Time Warner. Über die Jahre wuchs die Zahl der Nachahmer. Und es wuchs die Kritik der Medienwissenschaftler: Die Bilder schafften manchmal nur eine Illusion des Dabeiseins. Distanz gehe verloren, auch das Verständnis für die Hintergründe des Geschehens. Während Hurrikan „Katrina“ schien es, als habe CNN größeren Einfluss auf Entscheidungen als die Krisenstäbe der Regierung. Der Sender berichtete über die Plünderung von Waffengeschäften, von Schüssen auf Rettungshubschrauber, die dazu führten, dass Evakuierungsflüge abgebrochen wurden, und über angebliche massenhafte Vergewaltigungen in der Mehrzweckhalle Superdome, die als Notquartier diente. Zum Großteil erwiesen sich diese Horrorstories als Falschmeldungen.

Fehlerhafte Berichterstattung ist aber offenbar nicht die Ursache für CNNs derzeitigen Misserfolg. International hält der Sender immer noch den Spitzenplatz bei Vertrauenswürdigkeit. In den USA dagegen gilt CNN als „links“. Eine Studie der Harvard-Universität befand, der Umgang mit Barack Obama sei weniger kritisch gewesen als mit anderen Präsidentschaftskandidaten. Die Obama-Präsidentschaft scheint der Hauptgrund zu sein, warum immer mehr Amerikaner den rechten Sender Fox einschalten. Dort suchen sie eine glaubwürdige Opposition; das Vertrauen in die Republikanische Partei stagniert. 2009 war das erfolgreichste Jahr in der Fox-Geschichte. Die Quoten der Sendergesichter Greta van Susteren, Bill O’Reilly und Glenn Beck stiegen auch 2010 weiter, um 25 bis 50 Prozent. Für europäische Ohren klingen ihre Sendungen oft nach populistischer Hetze. Viele Amerikaner empfinden es anders.

Auch diese politische Wendung kann sich wieder umkehren – wenn die Republikaner die Macht erobern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false