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CNN

© AFP

US-Wahl in den Medien: Ein Bayer vorm Capitol

Serienstars und Warten aufs Christkind: im deutschen Fernsehen geriet die Wahlnacht zum Langweiler, Kurzweil gab es dagegen in den USA. Der Nachrichtensender CNN zeigte ein technisches Novum, als er eine Reporterin als Holographie ins Studio beamte.

Das wäre mal was für Tom Buhrow oder Claus Kleber: Der US-Nachrichtensender CNN hat in der Wahlnacht mit neuester holographischer Technologie überrascht. Die in Chicago stationierte CNN-Reporterin Jessica Yellin wurde mit modernster Kameratechnologie als dreidimensional wirkendes Hologramm in das Wahlstudio nach New York „gebeamt“. Moderator Wolf Blitzer sprach von einem einmaligen Ereignis. „Wir werden etwas machen, was noch nie zuvor im Fernsehen gemacht wurde“. Blitzer unterhielt sich mit der holographisch projizierten Korrespondentin, die im Studio zu stehen schien. „Ich weiß, dass Du mindestens 1000 Meilen weg bist, aber es sieht so aus, als wärest Du genau hier.“ Yellin erschien in dem Wahlstudio mit leuchtenden Konturen. Sie fühle sich wie Prinzessin Leia aus den Star-Wars-Filmen, sagte die Korrespondentin.

Sie habe während der Übertragung in einem Zelt in Chicago gestanden, umringt von 35 Fernsehkameras. Nach ihren Angaben tasteten die einzelnen Kameras ihren Körper aus unterschiedlichen Winkeln ab und übertrugen die Bilder dann ins zentrale Wahlstudio nach New York, wo sie von zugeschalteten Kameras zu einem Hologramm zusammengefügt und mitten ins Studio ausgestrahlt wurden.

Eine Überraschung, mit der die deutschen Fernsehsender in der alles entscheidenden Nacht vielleicht auch gerne mal aufgewartet hätten. Mit endlosen Diskussionsrunden, den fast immer gleichen Fragen musste die Zeit bis zum endgültigen Entscheid weit nach Mitternacht verkürzt werden. Die Hauptausgaben der Nachrichtensendungen mühten sich um Aktualität. Die „Tagesschau“ um 20 Uhr schaltete zu den US-Korrespondenten in die Lager der Republikaner und Demokraten – dort war es nachmittags. Menschenleer. Das Ganze hatte was von Warten aufs Christkind. Das ZDF-„heute journal“ um 21 Uhr 45 brachte zwar keine virtuellen Reporter ins Studio, versuchte sich aber mit einer großen Computer-„Patchwork“-Karte Amerikas und auf Obamas Wahlsieg hinzielenden Prognosen. Alles klar auch im Talk bei Johannes B. Kerner. Henry Kissinger, einst US-Außenminister und Freund von John McCain, rief im Gespräch mit Kerner live aus der Bucerius Law School in Hamburg dazu auf, sich um den neuen Präsidenten zu scharen. Für weitere Kurzweil sorgten die amerikanisch-deutsche Entertainerin Gayle Tufts und Moderator Claus Kleber, der aus Washington Amerika zu erklären versuchte. Gegen Mitternacht meldete sich Peter Frey, der Studioleiter des ZDF in Berlin, live aus dem alten Fernmeldeamt in Berlin-Mitte zu Wort, wo die Party der US-Botschaft stattfand. Für die noch drangebliebenen Zuschauer stand fest: Jetzt geht es wohl los.

Warum für die ARD dabei allerdings Sandra Maischberger und Monica Lierhaus aus Deutschland extra über den großen Teich geflogen werden mussten, erschloss sich nicht jedem Beobachter. Das Erste startete nach den „Tagesthemen“ seine zehnstündige Sondersendung „Amerika wählt“. Zwischendrin talkte Sandra Maischberger mit Otto Schily, Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck und Gerd Ruge. Viel Neues kam dabei nicht raus, auch nicht bei „Sportschau“-Frau Monica Lierhaus, die vorm Capitol Hill mit dem Seriendarsteller Wolfgang Fierek („Ein Bayer auf Rügen“) über die Besonderheiten des „American Spirit“ sprach. Tapfer verrichteten ab Mitternacht auch N24/Sat 1 und RTL-Mann Peter Kloeppel ihren Dienst am Zuschauer. Ab 1 Uhr war es dann so weit. Erste Ergebnisse aus den Staaten trudelten ein. Die Sender hatten endlich Zahlen, Handfestes. Gegen halb vier stellte das ZDF fest: Der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika würde Barack Obama heißen. Um 5 Uhr wird aus dem Konjunktiv ein Indikativ. Wer das alles live verpasst hat, stürzte sich aufs „Morgenmagazin“.

Auf ein Reporter-Hologramm à la CNN müssen deutsche Zuschauer an Wahlabenden und -nächten aber noch lange warten. „Bis so eine Technik im deutschen Fernsehen regelmäßig eingesetzt werden könnte, dauert es noch 15 Jahre“, sagt Gerald Breunig, beim Bayerischen Rundfunk zuständig für Neue Technologien. Der technische Aufwand sei enorm. „Auch wenn's schick aussieht – technische Effekte nutzen sich schnell ab, wenn sie inhaltlich keinen Mehrwert bieten.“ meh/sop (mit dpa)

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