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Facebook weiß, was US-Bürger kaufen: Es kooperiert neuerdings mit einem "Data Broker", der unter anderem über Rabattkartendaten verfügt.

© Patrick Allard / REA/ Laif

Verknüpfung von Online-Werbung und Offline-Kauf: Facebook weiß jetzt auch, was Du kaufst

Facebook startet in den USA die nächste Stufe der Konsumüberwachung. Das Netzwerk kann jetzt auch herausfinden, ob die Menschen im Laden an der Ecke tatsächlich kaufen, wofür ihnen online Werbung gezeigt wurde. Datenschützer sind alarmiert - und Facebook will die Technik auch in Europa einführen.

Facebook kennt uns. Es kennt unsere Namen, unsere E-Mail-Adressen und weiß, mit wem wir befreundet sind. In den USA erklimmt das Unternehmen nun eine neue Stufe der Menschenkenntnis: Es weiß jetzt auch, was in den Einkaufswagen der Nutzer landet.

Man stelle sich folgendes Szenario vor: Eine Frau, 40, surft bei Facebook. Sie schaut sich Fotos an und verschickt eine Freundschaftsanfrage an eine alte Schulfreundin. Mensch, wie die Zeit vergeht, denkt sie. Oben rechts im Browserfenster taucht eine Werbeanzeige auf. Für Faltencreme. Die Frau schaut in den Spiegel, lacht. Falten an den Mundwinkeln. Zwei Tage später steht dieselbe Frau in der Drogerie und sieht in einem Regal besagte Faltencreme. Wieder schaut sie in den Spiegel. Und kauft die Creme.

Bisher trennte eine organisatorische Grenze die Welt der Online-Werbung von der Welt des Offline-Kaufens. Ob die Werbung im Internet den Nutzer tatsächlich zum Kauf eines Produktes bewegte, konnte bisher nur dann nachgewiesen werden, wenn ein Nutzer direkt auf eine Werbeanzeige klickte, auf die Seite eines Online-Shops weitergeleitet wurde und dort das Produkt kaufte.

Manche Unternehmen bekamen deshalb Zweifel: Bringt die Werbung im Netz überhaupt etwas? Erst im Mai dieses Jahres hat General Motors diese Frage mit Nein beantwortet. GM kündigte an, künftig keine Werbung mehr bei Facebook zu schalten. Die Wirkung sei zu gering, die Werbung bringe nichts.

Online-Werbung ist ein wichtiger Geschäftszweig von Facebook. Zudem war das Timing von General Motors für das soziale Netzwerk so kurz vor dem Börsengang denkbar ungünstig. Facebook musste reagieren, ein positives Signal an die Werbekunden senden, etwas ändern. Und wie so häufig, wenn Facebook etwas ändert, bekommt der Nutzer erst einmal nichts davon mit.

Das soziale Netzwerk will seinen Kunden zeigen, dass sich Werbung lohnt. Dabei greift es jetzt auf die Dienstleistung einer anderen Firma zurück. „Datalogix“ gehört zu einer neuen Generation von Unternehmen, die die beiden Welten – Online und Offline – miteinander verbinden. Sie können die Lücke zwischen Online-Werbung und Offline-Kauf schließen.

Angefangen hat die Firma 2002 in Colorado unter dem Namen NextAction. Das Unternehmen begann als sogenannter „Data Broker“. Data Broker sammeln Daten von Einzelpersonen, werten sie aus oder verkaufen sie an andere Firmen, etwa zu Werbezwecken. Die Daten stammen aus öffentlichen Quellen und von Drittanbietern.

Anhand der Informationen lassen sich Aussagen treffen zum Kaufverhalten, über die Hautfarbe, die Hobbys, die Finanzen und den Internetanbieter einzelner Nutzer. Datalogix bezieht die Kundendaten durch Rabattprogramme, Treue- und Kundenkarten. Die Firma arbeitet mit über 1000 US-Handelsketten zusammen. Sie verfügt über eine der größten Kundendatenbanken dieser Art.

Seit 2009 hat sich die Firmenstrategie geändert. Datalogix hatte erkannt, dass traditionelle Offline-Daten in Verbindung mit der Online-Welt immens wertvoll sein können. Die Daten über das Kaufverhalten von rund 70 Millionen US-Haushalten hatten sie doch schon. Der Schlüssel zum Geschäftmodell von Datalogix sei das Verknüpfen der Punkte zwischen digitalen Medien und Offline-Produkt-Verkauf, sagt Geschäftsführer Eric Roza.

In Zukunft kann Facebook seinen Werbekunden genau sagen, wie viele Menschen ein Produkt auf der Internetseite des sozialen Netzwerkes gesehen und anschließend im Laden um die Ecke gekauft haben. So wie bei der Frau mit der Faltencreme. Das Ganze funktioniert wie folgt: Die Frau loggt sich bei Facebook ein und sieht die Werbeanzeige für die Faltencreme. Facebook legt auf einem Server eine anonymisierte Version ihrer Identität an, mit dem Vermerk „Werbung Faltencreme gesehen“. Anonymisiert heißt in diesem Zusammenhang, dass eine E-Mail-Adresse durch eine eindeutige Kennung, etwa eine Zahlen- oder Zeichenfolge, „verfremdet“ wird.

Datalogix, das ebenfalls Daten über die Frau sammelt, legt für sie ebenfalls eine eindeutige Kennung an. Mithilfe der über 1000 US-Handelsketten, die Daten aus den Programmen mit Kunden- und Rabattkarten beziehen, gleicht das Unternehmen ab, ob die Frau, die die Anzeige gesehen hat, bei einem der Händler die Creme gekauft hat und erstellt Berichte über den Erfolg bestimmter Werbeanzeigen.

Facebook sagt, diese Berichte zeigten, dass Werbung auf der Plattform sich lohne. Ein in Anzeigen investierter Dollar soll dem jeweiligen Unternehmen demnach drei Dollar mehr Umsatz gebracht haben. In 70 Prozent der Fälle.

Doch wie so häufig, wenn Facebook etwa ändert, ruft das die Datenschützer auf den Plan. Die amerikanische Kartellbehörde solle die Geschäftsbeziehung zwischen dem sozialen Netzwerk und Datalogix prüfen, fordert die US-Datenschutzorganisation „Electronic Privacy Information Center“. Der US-Senator John D. Rockefeller hat Ermittlungen gegen Datalogix und acht weitere Data Broker veranlasst. „Ein immer größer werdender Teil unseres Lebens wird zum Download bereitgestellt“, schrieb Rockefeller in einem Brief an die Unternehmen.

Wann Facebook die Neuerungen auch nach Europa bringen will

Facebook wehrt sich gegen die Kritik. Immerhin lösche Datalogix die abgeglichenen Daten sofort, wenn sie den Bericht an Facebook weitergegeben hat. Nur die Anzahl der Personen, die ein Produkt offline gekauft haben, das sie zuvor online bei Facebook gesehen haben, werde übermittelt. Nicht aber detaillierte Angaben über die Personen die ein bestimmtes Produkt gekauft haben. Facebook betont, dass die Daten anonymisiert sind. Das stimmt, doch eine eindeutige Kennung wird für jeden Kunden dennoch angelegt.

Bisher wurde dieses Verfahren nur in den USA getestet. Doch bereits im nächsten Jahr will Datalogix auch nach Europa expandieren. Auch nach Ansicht von Branchenexperten wäre das eine neue Stufe des Online-Marketings. Christian Kohn arbeitet für Zenith Optimedia, ein internationales Unternehmen, das sich darauf spezialisiert hat, Kunden zu beraten, wie sie Werbeetats möglichst effektiv einsetzen. Er sagt, dass die Idee, Online-Werbung und Offline-Kaufverhalten zu verbinden, nicht neu sei. Doch geschehe dies bislang eher im Rahmen von Marktforschungen, „bei denen die beteiligten Personen über den Datenabgleich informiert sind und diesem auch ausdrücklich zugestimmt haben“.

Die Frage, ob europäische Kunden, die vom strengeren europäischen Datenschutzrecht geschützt werden, der Verknüpfung ihrer Daten im Geschäftsmodell von Datalogix explizit zustimmen müssten, wird bei der Einführung in den EU-Ländern eine wichtige Rolle spielen. „Wir sehen die Expansionspläne natürlich mit Sorge“, sagt der Hamburgische Datenschutzbeauftrage Johannes Caspar. „In jedem Fall müssen derartige Geschäftsmodelle den hier geltenden Vorschriften entsprechen.“

„Die Datenschutzbestimmungen in Deutschland sind wesentlich strenger als in den USA“, sagt auch Kohn. „Daher wird ein solches Vorgehen mit wesentlich mehr Transparenz und Einvernehmen einhergehen.“

Facebook hingegen ist der Meinung, dass die Praktiken von Datalogix auch nach europäischem Recht legal seien. Das sagt Sandra Schieke von Apco, der Kommunikationsagentur von Facebook in Deutschland. Facebook versteht die Aufregung um die Kooperation mit Datalogix nicht.

Schließlich handele es sich doch um eine Win-win-Situation. Durch die Werbung sei Facebook schließlich kostenlos. „Wir glauben, dass wir für die Menschen, die unseren Service jeden Tag nutzen, einen Mehrwert schaffen, indem wir ihnen relevante Anzeigen zeigen“, sagt Joey Tyson, bei Facebook verantwortlich für Datenschutzmodelle. Ob die Nutzer von Facebook das genauso sehen, wird sich zeigen.

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