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Verlag: "Reader's Digest" ist pleite

Die weltweit größte Monatszeitschrift hat Insolvenz angemeldet – allerdings nur in den USA. In Deutschland sollen weiter gute Nachrichten verkauft werden.

Michael Kallinger dürfte sich am Montag so gefühlt haben wie der Held aus dem Hit von Boomtown Rats: „I don’t like mondays“. Der Chefredakteur von „Reader’s Digest Deutschland“ musste seinen Mitarbeitern in Stuttgart erklären, was es mit der Hiobsbotschaft aus den USA auf sich hat. Das traditionsreiche US-Magazin „Reader's Digest“ hat dort zum zweiten Mal in weniger als vier Jahren Insolvenz angemeldet. Der Herausgeber RDA Holding will sich unter Anwendung des speziellen amerikanischen Insolvenzrechtes sanieren. In dem Antrag vom Sonntag wurden Gesamtschulden von gut 1,18 Milliarden Dollar genannt. Das Unternehmen will Schuldscheine in Firmenanteile umwandeln und das Insolvenzverfahren mit reduzierten Schulden verlassen.

Ganz neu ist dieser Trend nicht. „Reader's Digest“ (englisch für „Kurzfassung, Auszug“) hatte bereits 2009 einen Insolvenzantrag gestellt. Folge einer Übernahme durch Finanzinvestoren, bei der dem Verlag hohe Schulden aufgebürdet worden waren. Jetzt macht dem mehr als 90 Jahre alten Haus der Wandel vom Print- zum Online-Geschäft zu schaffen. So wurden im Dezember mehr digitale Ausgaben verkauft als gedruckte am Kiosk, wie Firmenchef Robert Guth der Finanznachrichtenagentur Bloomberg sagte. Der Insolvenzantrag gilt allerdings nur für das US-Geschäft. Das bestätigte „Reader’s Digest Deutschland“ am Montag auf Anfrage: „Die Tochtergesellschaften von ,Reader’s Digest’ in Deutschland, der Schweiz und Österreich sind von dieser Maßnahme nicht betroffen. Sie führen ihre Geschäfte wie gewohnt weiter.“ Hierzulande sei das Geschäft sogar „hochprofitabel“.

Dennoch wirft dieser Insolvenzantrag ein Licht auf Wirken und Erscheinen einer der traditionsreichsten Print-Marken weltweit. Die erste Ausgabe erschien am 5. Februar 1922. Die Herausgeber versandten in der Anfangszeit die Exemplare auf dem Postweg für zehn Cent pro Stück. 1935 erreichte das Heft erstmals eine Auflage von einer Million Exemplaren. 1948 folgten die ersten Ausgaben für Deutschland und die Schweiz, 1952 in Österreich. Die Zeitschrift erscheint heute noch in 50 verschiedenen Ausgaben in 20 Sprachen und erreicht mit einer Auflage von 16 Millionen Exemplaren rund 70 Millionen Leser. Die amerikanische Ausgabe ist mit 8,2 Millionen Exemplaren die auflagenstärkste. Das Magazin war lange Jahre bekannt dafür, ein relativ geschlossenes Weltbild zu vertreten, das der Konzern selbst als politisch konservativ, pro-amerikanisch, optimistisch und christlich orientiert bezeichnet. Mittlerweile haben die Ländergesellschaften eigene Profile entwickelt, welche die klassischen Werte von „Reader’s Digest“ wie Vertrauen, Zuverlässigkeit und Verantwortung einschließen.

Den Namen hat jeder schon einmal gehört. Vor allem in den 1970er und 80er Jahren lag die Abonnementszeitschrift im ungewöhnlich kleinen Pocketformat in vielen Wohnzimmern und Arztpraxen der Republik. Menschen, die mit Zeitungen sonst nicht so viel am Hut hatten, griffen zu dem Heft, das dafür bekannt war, Artikel anderer Zeitschriften sowie Bücher in mehreren Sprachen, teilweise in gekürzter Form, herauszubringen. Heute enthält die Zeitschrift überwiegend eigene Inhalte, die sich je nach Länderausgabe unterscheiden. Unter der Dachmarke erscheinen Bücher, Hörbücher, Musik-CDs, DVDs. Das Motto, das der damalige Chef Andreas Scharf 2008 ausgegeben hat, scheint noch immer zu gelten: „Wir verstehen uns als Anwalt der guten Nachricht und bekennen uns auch dazu.“ Das Heft (160 Seiten, 3,70 Euro) hat etwas von einer Art Wundertüte, auf dem Cover glänzend mal mit Hugh Laurie, Bill Clinton oder einem lachenden Baby. Dazu Themen wie Devid Striesow, Tipps à la „Die Kraft der Reue“ oder eine Reportage „Das Wunder am Berg – Rettung in letzter Sekunde“.

Rettung für Deutschland scheint noch nicht nötig zu sein, auch wenn die Auflage fällt. Die hiesige Ausgabe erscheint monatlich in einer Auflage von 600 000 Exemplaren, erreicht damit etwa zwei Millionen Leser und ist auch online aufgestellt (englischsprachig gibt es das Heft als kostenpflichtiges App). Sie wird von dem in Stuttgart ansässigen Tochterverlag Reader’s Digest Deutschland, Verlag Das Beste GmbH herausgegeben. Chefredakteur Michael Kallinger konnte seine kleine Redaktion am Montag denn auch erst mal beruhigen. Die Leserschaft wird vom Verlag als zumeist älter als 40 und relativ gut situiert dargestellt.

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