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Medien: Verlag Stroemfeld/Roter Stern: Von einem, der auszog, die Klassiker zu schärfen

"Nächstens mehr" ist sein Motto, das er einmal im Fragebogen des FAZ-Magazins verriet. Inzwischen sind 15 Jahre vergangen, der Verleger KD Wolf hat viele Turbulenzen hinter sich, einen Konkurs und die Herausgabe der neuen kritischen Kleist- und Kafka-Ausgaben.

"Nächstens mehr" ist sein Motto, das er einmal im Fragebogen des FAZ-Magazins verriet. Inzwischen sind 15 Jahre vergangen, der Verleger KD Wolf hat viele Turbulenzen hinter sich, einen Konkurs und die Herausgabe der neuen kritischen Kleist- und Kafka-Ausgaben. Der kleine erstaunliche "Klassiker"-Verlag Stroemfeld / Roter Stern feiert heute sein 30 Jahre-Jubiläum. 1970 hatte der frühere SDS-Vorsitzende KD Wolff den Verlag mit einem Programm gegründet, das von "Erziehung und Klassenkampf" bis zu Black Panther-Broschüren reichte. Aufsehen erregte der Verlag, als D. E. Sattler dort 1975 eine neue kritische Hölderlin-Ausgabe vorstellte, die heute, ein Vierteljahrhundert später, kurz vor ihrem Abschluss steht. "Hölderlin unterm Roten Stern" wunderte sich das deutsche Feuilleton damals einhellig über das Riesenvorhaben des Verlags-Winzlings, alle Hölderlin-Handschriften zu faksimilieren. Heute schreibt das Branchen-Magazin "Buchreport", der Stroemfeld Verlag sei "Marktführer" bei Klassikerausgaben. Während andere 68er-Studentenführer Parteien gründeten oder den Marsch durch die Institutionen antraten, stürzte Wolff sich in Auseinandersetzungen mit Hölderlin- bzw. Kleist-Gesellschaften, Kulturbehörden, Forschungsinstituten. FAZ-Herausgeber Schirrmacher nennt das Institut für Textkritik "eine Manufaktur glänzender Textphilologie". Dabei weist Wolff nach wie vor das Etikett vom "Klassiker-Verlag" zurück. Stroemfeld / Roter Stern verlege ja eben nicht Goethe: Es gehe darum, "den authentischen Text von Autoren wie Hölderlin, Kleist, Kafka (zu) rekonstruieren", Autoren die zu "Klassikern" nur erklärt würden, um ihnen "Schärfe und Frag-Würdigkeit" zu nehmen.

Ohne Kampf gegen dunkle Machenschaften kann sich KD Wolff als Verleger wohl nicht sehen. Streit hat es in 30 Jahren Verlagsgeschichte genug gegeben. Als 1975 die Hölderlin-Ausgabe begonnen wurde, ironisierten Ex-Mitarbeiter des Verlages in einem Offenen Brief: "Das tapfer kämpfende Volk der Palästinenser trägt Hölderlin im Kampfgepäck und rühmt die moralische Kraft, die von ihm ausgeht. Besonders dankbar sind Euch jedoch die Genossen im Knast. In ihrer Verzweiflung und Einsamkeit wird es sie sicher gewaltig ermutigen weiterzukämpfen ..." Einer der Unterzeichner, Johannes Weinrich, sitzt heute wegen des Bombenanschlags auf das Maison de France im Gefängnis in Moabit. 1979 wurde in Basel (nach Roter Stern in Frankfurt / Main) der Stroemfeld Verlag hinzu gegründet. Der Name stammt aus einer späten Hölderlin-Notiz: "Tende Strömfeld Simonetta". So wurde die Basis dafür gelegt, den Verlag nach dem Konkurs von Roter Stern 1993 weiterzuführen.

Heute hat der Verlag fast 600 lieferbare Titel. Neben den historisch-kritischen Werk-Ausgaben findet man den Kult-Autor Klaus Theweleit, dessen legendäre "Männerphantasien" schon 1977 / 78 hier herauskamen. Der Berliner Religionsphilosoph Klaus Heinrich konnte gewonnen werden und erlaubte schließlich die Transskription seiner "Dahlemer Vorlesungen" nach heimlichen Tonband-Mitschnitten seiner Schüler - trotz ursprünglicher Bedenken der "Würde des gesprochenen Wortes" wegen. Anfang der 90er Jahre übernahm Stroemfeld den psychologischen Fachverlag Nexus, seitdem als kulturwissenschaftliche Bibliothek "Stroemfeld/Nesus" geführt. Hier kamen die ersten deutschsprachigen Ausgaben des Literaturwissenschaftlers Harold Bloom heraus, dessen Bestseller-Rechte heutzutage in den USA versteigert werden - da kann Stroemfeld nicht mithalten. Bei Stroemfeld / Nexus findet man aber auch Grenzgänger wie die dichtende Philosophin Eva Meyer.

Wer KD Wolff bei einem seiner öffentlichen Auftritte erzählen hört, wie er 1974 in Kassel D.E. Sattler begegnete, wie sich die krassen Außenseiter zusammentaten, wie man sogar lernte, Bücher zu verkaufen - der bekommt eine Vorstellung davon, wie der Verleger immer wieder Gönner und Förderer von seinen Projekten überzeugen konnte. Eine Stroemfeld Fördergesellschaft, der Industrielle, Politiker und Mäzene angehören, wurde 1993 in Basel gegründet. Ohne sie wäre die Weiterexistenz des Verlages nach dem Konkurs von Roter Stern kaum möglich gewesen. Wenige kleine Verlage haben so viele Preise für Buchgestaltung bekommen wie Stroemfeld.

Zum Jubiläum hat KD Wolff ein voluminöses Lesebuch "TERZ" herausgegeben (375 S. , 30 DM). Der Band schlägt einen Bogen von Hölderlin zu Theweleit, bringt die Umschrift von Kafkas "Vor dem Gesetz" aus "Process", collagiert Fragmente von Verlagsautoren, die plötzlich neu und fremd wirken. Ganz anders liest sich Hyperions berühmte Scheltrede auf die Deutschen in diesem Kontext. Eine Anspielung erlaubt sich der Herausgeber gleich zu Anfang: die Kanzone von Francesco Petrarca, mit der "TERZ" beginnt, heißt "Nicht Grün noch Rot ..." . Mit einem Brief des Autors Peter Kurzeck an Wolff endet der Band: "... Wenn ein Schriftsteller uralt wird, soll auch der Verleger uralt werden, das bist also Du. Genaugenommen soll der Verleger sogar ein bisschen älter noch werden, vielleicht hundert Jahre und 14 % oder so ähnlich. Damit er sich um den Nachlass kümmern kann und die Jahrestage usw. ." Jetzt ist Stroemfeld / Roter Stern 30 geworden, am 30. September wird im Frankfurter Literaturhaus gefeiert, der Rote Salon hat KD Wolff für November in die Volksbühne nach Berlin eingeladen.

Ursula Vogel

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