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Medien: „Vielleicht hilft uns Schröder“

Korrespondent Jörg Armbruster über Drehgenehmigungen und Verbote in Bagdad

Herr Armbruster, haben Sie jemals so viele Journalisten in Bagdad gesehen?

Nach dem ersten Golfkrieg und nach 1998 waren schon viele Kollegen hier, aber im Augenblick sind es so viele wie noch nie. Es ist praktisch jedes Land vertreten.

Können Sie sich im Irak so bewegen, wie Sie wollen?

Mehr oder weniger müssen wir uns so bewegen, wie die Behörden es wollen. Wir haben immer einen Begleiter dabei, die Storys, die wir drehen wollen, müssen wir beim Informationsministerium anmelden. Tricksen können wir nicht, ansonsten gefährden wir unsere Visa.

Was wird genehmigt, was nicht?

Sagen wir es so: Genehmigt wird auf jeden Fall alles, was mit „Oil for Food“, mit den Folgen der Sanktionen auf irakische Familien, zu tun hat. Beim Thema Elend bekommen wir immer eine Genehmigung. Wenn es um offizielle Dinge wie die BaathPartei oder das Militär geht, dann bekommen wir keine. Dazwischen ist Willkür.

Es hat den Anschein, als müssten Sie ungeheuer viele Berichte an die ARD absetzen. Wie viel Zeit bleibt für die Recherche?

Wir versuchen, so ordentlich wie eben möglich zu recherchieren. Wir sind nicht in der Lage, eine knallharte, aufwendige, längerfristige Recherche zu machen. Was wir machen an Aktualität, das hat Hand und Fuß, das ist recherchiert und überprüft.

Sehen die irakischen Behörden in Ihnen einen Korrespondenten, der aus dem Land kommt, dessen Bundeskanzler an der Spitze einer Antikriegs-Koalition steht? Ist das ein Vorteil?

Wir werden als Deutsche auf der Straße, bei den Behörden sehr freundlich begrüßt. Aber ich glaube nicht, dass es ein wahnsinniger Vorteil ist, denn die ARD und auch das ZDF spielen in dem Medienspiel zwischen dem Irak und den USA keine so große Rolle. Da sind BBC World, CNN und ABC wesentlich wichtiger als wir. Wenn es etwas von irakischer Seite zu verkünden gibt, dann über die amerikanischen Sender.

Wird der Ton rauer, werden die Bedingungen insbesondere für die US-Korrespondenten schwieriger?

Generell gilt nicht, dass die amerikanischen Sender mehr behindert werden als andere. CNN ist immer noch mit zwei Korrespondenten hier, obwohl der Sender aufgefordert wurde, einen abzuziehen. Von daher gibt es immer noch eine Toleranzschwelle.

Der Zuschauer nimmt zwei Bilder aus der Krisenregion wahr: Hier die kampfbereiten US-Truppen, dort die unbewaffneten irakischen Zivilisten. Der Zuschauer ist dem ausgeliefert – weil auch der Korrespondent dem ausgeliefert ist?

Ein bisschen vielleicht schon. Der Korrespondet muss dann halt versuchen, was er im Bild nicht zeigen kann, im Text zu vermitteln. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht ein schiefes Bild entwickeln und den Irak nur als Opfer darstellen – denn das ist er ja bekanntermaßen nicht. Ob es uns immer gelingt, das kann ich von hier aus nicht beurteilen, weil ich die Gesamtheit der Berichterstattung außerhalb des Irak nicht kenne – und die ist ja auch sehr wichtig.

Was von Ihren Berichten müssen Sie den irakischen Behörden vorlegen, ehe Sie das Material nach Deutschland überspielen?

Na gut, es ist vorzensiert dadurch, dass wir bestimmte Storys nicht machen können und immer Begleiter dabei haben. Wir müssen unsere Berichte hier niemandem vorlegen. Wir wissen aber, dass es in Berlin eine irakische Botschaft gibt, die genau hinschaut, die zum Informationsministerium nach Bagdad zurückmeldet, was wir berichtet haben.

Auf Sie persönlich, auf Ihr Team wurde noch kein Druck ausgeübt?

Es gibt immer Druck. Wir hatten Anfang letzten Jahres eine Situation, da wurde ich zu einem Gespräch im Informationsministerium gebeten. Da wurde mir sehr deutlich gesagt, dass man darüber nicht glücklich ist, wie die ARD über den Irak berichtet. Jetzt, bei der aktuellen Krise, gab es Derartiges nicht. Vielleicht hilft auch die deutsche Regierungspolitik, dass sie uns gegenüber etwas nachsichtiger sind.

Hat der Mann auf der Straße in Bagdad noch andere Informationsquellen als die gleichgeschalteten irakischen Medien?

Ja, wir werden zum Beispiel auf der Straße gefragt. Der Iraker hat keine Satellitenschüssel, er hat kein CNN, kein BBC, kein Al Dschasira. Er hat aber sicher Kurzwellen- oder Mittelwellen- Radios. Der Iraker, jedenfalls in Bagdad, hat mehr Informationsquellen als nur die irakischen Medien. Ich treffe eine ganze Menge Leute, die dafür, dass sie nicht informiert sein dürften, erstaunlich gut informiert sind.

Wird nicht-irakischen Quellen geglaubt?

Wenn es denn kein Holzhammer-Medium ist, das den Irak mit Worten zusammenhaut. Den anderen ausländischen Medien wird geglaubt. Ich höre immer wieder, Mensch, gestern ist das und das berichtet worden, das ist ein Gesprächsthema. Ich habe mal einen Iraker gefragt: Riskiert Ihr nicht viel, wenn Ihr das hört, schließlich steht das unter Strafe. Seine Antwort: Man muss wissen, mit wem man darüber redet, aber wenn man das weiß, dann redet man darüber.

Wenn der Krieg ausbricht – werden Sie bleiben?

Wir sind ja noch mitten in der Diskussion. Es gibt verschiedene Schreckensszenarien: dass die Sadt abgeriegelt wird, dass man sich nicht mehr bewegen kann oder die Amerikaner Waffen einsetzen, die dann die komplette Elektronik ausschalten – und wir gar nichts mehr machen können. Ehrlich gesagt, ich bin nicht scharf darauf, hier zu bleiben. Ich bin kein Kriegsreporter, ich will kein Held sein, ich muss kein Peter Arnett sein.

Das Gespräch führte Joachim Huber.

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