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Medien: Vom Foto herab

Ein 3sat-Film über Söhne, die nach dem Weltkrieg ohne Vater aufwuchsen

„Ich habe meinen Vater nie in den Arm nehmen können“, sagt Peter Hangleiter. Er wusste nicht, wie das geht – er wurde selbst erst nach dem Tod seines Vaters im Zweiten Weltkrieg geboren. Andreas Fischer hat acht Männer danach gefragt, was es für sie bedeutet hat, ohne Vater aufgewachsen zu sein. Fast ein Drittel der deutschen Kinder, die zwischen 1933 und 1945 geboren wurden, teilen dieses Schicksal. Kaum einer von Fischers Protagonisten kann sich noch an seinen Vater erinnern, und doch spielt er für alle eine große Rolle. „Ich lebe zunehmend mit ihm und seiner Beobachtung“, sagt Hartmut Alphei. Der Dokumentarfilm „Söhne ohne Väter“ ist ein Film über Abwesende, die doch das Leben ihrer Söhne, ihrer Familien prägen.

Nur ab und zu ergänzt durch einige Familienfotos, lebt der Film von den Aussagen der Interviewpartner, die Andreas Fischer zu den wesentlichen Aspekten des Themas montiert hat. Nur Gutes erfahren wir über die im Krieg gebliebenen Väter, und das wundert uns nicht: Die schmerzlich Vermissten wurden sicherlich sehr idealisiert. Umso schwerer wiegt die Bürde, die die Söhne schultern mussten. Die Väter sollten schließlich stolz sein können auf ihre Kinder. Und auf die Frauen, die die Erziehung tapfer allein bewältigten. „Im Antlitz des Vaters“ sei er groß geworden, sagt einer, stellvertretend für die meisten. Das Foto des Vaters stand nicht nur auf dem Nachtisch der Mutter, es hing quasi überall.

Die Söhne hatten für die Mütter eine ganz besondere Funktion, daran lässt keiner einen Zweifel. In den engen, manchmal nur ein bis zwei Zimmer großen Wohnungen der Nachkriegsjahre schlief so mancher Sohn neben der Mutter im Ehebett. Die Frauen, die längere Zeit keinen neuen Partner fanden, richteten alle Gefühle auf ihre Kinder, und die suchten umso mehr ihre Freiheit. Die emotionale Bindung hat später auch so manche Ehe belastet, der Konkurrenzkampf zwischen Ehefrauen und Müttern ließ sich nicht ohne tiefe Verletzungen beenden.

Dass die Aussagen dazu nicht peinlich wirken, liegt an den Interviewpartnern. Die Männer, die Fischer aus rund hundert Interessierten ausgewählt hat, haben gründlich nachgedacht, und sie können formulieren. Die meisten sind promoviert, sie haben beruflich Erfolg. Dass das so ist, und warum, ist allerdings kein Thema von „Söhne ohne Väter“.

So interessant auch jeder erzählt, so wünscht sich der Zuschauer vielleicht auch ein paar Protagonisten, bei denen der Lebensweg nicht so geradlinig verlaufen ist, ein paar Irrwege aufweist. Mag allerdings sein, dass der Eindruck täuscht. „Söhne ohne Väter“ beeindruckt jedenfalls durch die Offenheit, mit der die acht Männer über sich sprechen. Es geht um die Rollen von Mann und Frau, die um 1940 herum so klar definiert schienen und die durch die Erfahrungen des Krieges so fragwürdig wurden.

„Söhne ohne Väter“ ist ein Film über persönliche Erfahrungen, dem es gelingt, typisches Verhalten in einer ganz besonderen Situation deutlich zu machen. Hier ist individuelles Erleben so formuliert, dass aus den einzelnen Geschichten auch Geschichte entsteht. Fast nur „talking heads“ sind zu sehen, „sprechende Köpfe“, aber was sie sagen, rührt nicht nur, in einigen emotionalen Momenten, es führt auch zum Nachdenken, zum Vergleich mit eigenen Erfahrungen.

„Söhne und Väter“, 3sat, 21 Uhr 15

Eckart Lottmann

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