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Pegida-Kundgebung am Montag vor Weihnachten in Dresden

© Hannibal Hanschke/Reuters

Vom Twitter-Projekt zur Info-Plattform: Straßengezwitscher macht Rassismus transparent

Das Dresdner Twitter-Projekt "Straßengezwitscher" hat ein Crowdfunding-Projekt gestartet. Ziel: Ein Informationsportal über rechte Kundgebungen in Sachsen.

Von Matthias Meisner

Zehn Monate ist das Dresdner Twitter-Projekt "Straßengezwitscher" nun alt - und reif für einen Ausbau seiner Aktivitäten. Eine Woche vor Weihnachten haben die beiden Initiatoren Johannes Filous und Alexej Hock in Zusammenarbeit mit Correctiv und Startnext ein Crowdfunding-Projekt gestartet, um ihre Aktivitäten breiter aufzustellen. Zum Twitter-Kanal @streetcoverage mit seinen inzwischen rund 10.000 Followern soll ein Informationsportal kommen, auf dem Fakten zu rechten Kundgebungen in Sachsen gesammelt werden.

Von denen gab es zuletzt jede Woche bis zu 30, heißt es im Aufruf. Und das betrifft eben nicht nur die fremdenfeindliche Pegida-Bewegung in Dresden, sondern auch viele Orte in der sächsischen Provinz: Anti-Asyl-Aufmärsche, Hass-Aktionen gegen Flüchtlingsunterkünfte. Fast nirgendwo im Freistaat läuft die Aufnahme von Asylsuchenden ohne Gegenwehr "besorgter Bürger" ab, die, oft angestachelt und angeführt von Rechtsextremisten, mobil machen. "Die Gefahr wird größer, dass immer mehr rechte Demos ohne Beobachtung bleiben", schreiben Filous und Hock. Reichweite, Kontakte und Vorwissen wollen die beiden nutzen, um in einem Netzwerk die Beobachtung von rechten Demos zu koordinieren. Und auch darüber zu informieren, welche Gegenaktionen es gibt.

Zu zweit ist das nicht mehr zu leisten. Schon in den vergangenen Wochen waren bei Großereignissen wie dem Pegida-Jahrestag weitere Twitter-Berichterstatter im Einsatz. Künftig sollen sich zum einen weitere Twitter-Nutzer als Reporter eintragen können, um vor Ort zu berichten. Zudem will das "Straßengezwitscher"-Team recherchieren, wohin Rechte mobilisieren, wo eine Unterkunft belagert werden soll - und auch die Organisatoren dieser Anti-Asyl-Proteste nennen, wenn sie bekannt werden.

"Straßengezwitscher"-Initiatoren Johannes Filous (links), Alexej Hock
"Straßengezwitscher"-Initiatoren Johannes Filous (links), Alexej Hock

© Arno Burgi/dpa

Bereits jetzt gibt es auf Google Maps von "Straßengezwitscher" eine interaktive Karte zu sächsischen Anti-Asyl-Seiten auf Facebook - das angeblich soziale Netzwerk ist wichtiger Multiplikator der fremdenfeindlichen Aktivisten.

Regelmäßig fragen die "Straßenzwitscherer" bei den Behörden bereits jetzt Informationen zu angemeldeten Kundgebungen ab - mit unterschiedlichem Erfolg. Manche geben bereitwillig Auskunft. Andere mauern. Johannes Filous schildert zum Beispiel besondere Probleme mit dem Landratsamt Pirna. Es ist für den Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge zuständig - und damit auch für die Städte Freital und Heidenau, die immer wieder Schauplatz von Anti-Asyl-Demonstrationen waren. "Telefonisch werden Auskünfte in Aussicht gestellt, aber sie kommen einfach nie", sagt Filous.

Auch die Polizei in Sachsen steht bei "Straßengezwitscher" im Verdacht, rechte Umtriebe zu verharmlosen. Etwa in Dresden rutschte zuletzt der Begriff "Asylanten" in den Polizeibericht, als es um Asylsuchende ging. Im Leipziger Polizeibericht zu dem Aufmarsch von Rechtsextremisten am 12. Dezember in Leipzig - dem linksradikale Krawalle folgten - war durchgängig von Rechtspopulisten die Rede. Tage später gab der Leipziger Polizeisprecher Andreas Loepki auf Tagesspiegel-Anfrage zu, unstrittig wäre "eine andere sprachliche Vereinfachung zu bevorzugen gewesen" – zum Beispiel "Aufzug der Rechten". Derart werde er es künftig handhaben, versicherte Loepki. Mit den genutzten Begrifflichkeiten sei "explizit keine Verharmlosung der Versammlung oder der Teilnehmer angestrebt" worden.

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"Straßengezwitscher" hat weitere Beispiele: "Große Lücken" habe es im Polizeibericht zum Pegida-Jahrestag gegeben, was Angriffe von Rechtsradikalen auf Polizei und Gegendemonstranten betrifft. Die "Straßengezwitscher"-Reporter "fühlen sich nicht ausreichend geschützt, nicht ernst genommen", berichtete das Medienmagazin "Journalist" des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), das Filous und Hock die Titelgeschichte der Dezember-Ausgabe widmete. Wenn sie versuchten, mit der Kamera rechte Demos zu dokumentieren, würden das Demonstranten zu verhindern versuchen, die Polizei greife nicht ein.

"Ein Schwarm von mobilen Reportern"

Johannes Filous und Alexej Hock twitterten zunächst anonym. Erst als ihnen der Preis für Zivilcourage vom "Förderkreis für die ermordeten Juden Europas" zuerkannt wurde, traten sie aus der Anonymität heraus. Ihr Argument "Können wir für Zivilcourage ausgezeichnet werden, wenn wir uns verstecken? Unsere Antwort: Nein."

Mit dem Crowdfunding-Projekt sollen 3000 Euro zusammenkommen - für Programmierung, Layout und die Kosten für das Hosting. Bis Weihnachten war knapp die Hälfte des Geldes beisammen. Die Reklame für das Projekt auf Twitter läuft unter dem Hashtag #crowdgezwitscher. Eingeladen seien alle, die Lust hätten sich an dem Projekt zu beteiligen, sich an gewisse Regeln halten und zuverlässig seien, erläutert Hock im Crowdfunding-Blog. "Der Name ,Straßengezwitscher' wird damit zu einer Marke, die eine Berichterstattung nach journalistischen Standards garantiert. Ein Schwarm von mobilen Reportern, anders ausgedrückt: #crowdgezwitscher".

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